Unter die Räuber gefallen: Über den Umgang mit Duisburgs Erbe

Gastbeitrag von Dr. Günter Krause – ehemaliger Duisburger Stadtarchäologe

www.archaeologie-duisburg.de

Zum Umgang der Stadt mit der ehemaligen Stadtbefestigung und zum Bericht der WAZ-Duisburg vom 8. Juni online und vom 9. Juni in der gedruckten Ausgabe

Der WAZ-Bericht (https://www.waz.de/staedte/duisburg/wehrturm-am-calaisplatz-in-duisburg-vollstaendig-restauriert-id229277236.html) über die „Restaurierung“ des Stadtmauerturms an der Unterstraße am Steiger Schwanentor zeigt die ganze Verlogenheit der Stadt im Umgang mit ihren Denkmälern. Sie dienen bestenfalls kurzfristigen Reklamezwecken für die Stadtherren. Die modernen Beispiele für schlechten Umgang wie Tiger & Turtle und auch Rhein-Orange reihen sich hier nahtlos ein.

Die mutwillige Zerstörung der Flucht der Untermauerstraße im Bereich der Königsgalerie, einer über 1.000 Jahre alten Straßenführung an der Stadtmauer, gehört in die gleiche Kategorie. Sie folgte dem Umriss der mittelalterlichen Duisburger Altstadt, der Wiege der Stadt, der immer mehr überbaut wird und damit verloren geht. Man möchte das historische Ortsbild offensichtlich aus dem Bewusstsein löschen. Auch hier stehen wirtschaftliche Gründe dahinter, die gewöhnlich als „alternativlos“ ausgegeben werden. Man will sich durch keine historischen und anderen Rücksichten stören lassen.

Im Fall des Stadtmauerturms am Steiger Schwanentor sind es vermutlich die anstehenden Kommunalwahlen, vor denen man sich möglichst in einem guten Licht darstellen möchte, wohl deswegen der hohe Besuch durch den Oberbürgermeister und den Stadtentwicklungsdezernenten. Um seine gute Tat – hier die „Restaurierung“ des Turmes, die höchstens unterstes Niveau von Altbausanierung erreicht und zu fast 90% überflüssig und denkmalunverträglich ist, besonders herauszustreichen, wird der ungeheure Substanzverlust an der Duisburger Stadtmauer auf das 19. Jahrhundert und auf den Zweiten Weltkrieg geschoben. Das ist eine glatte Lüge. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren noch rund 80% der mittelalterlichen Stadtbefestigung erhalten. Heute sind es noch etwa 30%, ein Teil davon in den 1960er Jahren fantasievoll runderneuert. Man riss sie bis in die 1970er Jahre systematisch ab oder ließ sie bis in die jüngste Zeit so verludern, dass ganze Mauerteile mit den zugehörigen Türmen wie an der Unterstraße baufällig wurden und nach und nach verschwanden. Ende der 1960er Jahre war am Schwanentor nur dieser massive Turm an der Unterstraße noch übrig geblieben. Den Duisburger Verkehrsplanern war er ein Dorn im Auge. Sie wollten auch ihn noch abreißen. Dies verhinderte in letzter Minute das „Veto“ der Landeskonservatorin Frau Baudirektor Cornelius, so stand es u.a. in einem Artikel der Rheinischen Post vom 20. 7. 1968. (Anm.: Der Artikel liegt in Kopie vor, kann aber aus urheberrechtlichen Gründen hier nicht veröffentlicht werden. Er ist im Stadtarchiv einsehbar.)

Auch der derzeitige Stadtarchäologe Platz versteht es, sich in einem guten Licht zu präsentieren. Der Turm dient dabei anscheinend als Mittel zum Zweck. Es ist auch niemals Aufgabe einer Restaurierung, Mauern so glatt zu machen, wie sie angeblich früher waren, was Herr Platz besonders hervorhebt. Es geht vielmehr darum, bei einer Restaurierung möglichst viel der noch vorhandenen Originalsubstanz eines Denkmals zu sichern und zu erhalten. Das wurde hier wie auch bei den jüngsten Restaurierungsmaßnahmen an anderen Teilen der Stadtbefestigung grob verfehlt.

Ferner wird mittels einer Grafik eine Rekonstruktion des Turmes mit zwei weiteren Stockwerken und einem Spitzdach präsentiert, alles glatt erfunden, wie es der Stadtplan von 1566 (s. Abb. 3)

und eine Ansicht der Stadtbefestigung vom Innenhafen her aus der Mitte des 19. Jahrhunderts (s. Abb. 4) zeigen.

Die Stadtmauer an der Unterstraße war damals intakt und der Turm kaum höher als die Stadtbefestigung. Er trug einen Zinnenkranz, der heute fehlt. Auch eine Skizze aus dem Jahre 1935, als man die Wiederherstellung der ehemaligen Rheinfront der Altstadt am Innenhafen plante, zeigt dies (s. Abb. 5).

Der Plan kam nicht zur Ausführung. Er wurde aber in den 1980er Jahren wieder aufgenommen. Man wollte so die Duisburger Altstadt in ihrer Lage am Wasser wieder erlebbar machen.

Der letztjährige Neubau des Digitalkontors  (Krankikom) und eines Hotels auf den Wällen und Gräben der Stadtbefestigung am Schwanentor hat diesen Plänen endgültig ein Ende bereitet. Der Turm steht jetzt nicht mehr am Wasser des Innenhafens, der im mittelalterlichen Rheinbett liegt, sondern hinter dem Digitalkontor. Dieses neue Umfeld schmälert den Denkmalwert des Turmes und der Stadtbefestigung zusätzlich.