Bürgerbefragung mit zweifelhaften Ergebnissen

Zum Jahreswechsel 2022/2023 wurde in Duisburg eine Bürgerbefragung durchgeführt. Angeblich zufällig ausgewählte 25.000 BürgerInnen wurden dazu angeschrieben. Rund ein Drittel antwortete, der grosse Teil sogar online, auf die immerhin 80 Fragen.

Alles hier en detail nachzulesen:

https://www.duisburg.de/guiapplications/newsdesk/publications/Stadt_Duisburg/102010100000201909.php

https://sessionnet.krz.de/duisburg/bi/getfile.asp?id=1702190&type=do

Die hohe Rücklaufquote von einem Drittel (besser als bei jeder Wahl*) ist schon enorm und zählt bei derartigen Umfragen weltweit mit derartig vielen Fragen schon zu den absoluten Spitzenwerten.

Und auch sonst kommt die Stadt bis auf Ausnahmen – ich sage es mal salopp: wo man wenig zahlentechnisch fummeln konnte um nicht komplett unglaubwürdig zu erscheinen – sehr gut weg.

Ich bitte also den Augenmerk auf den zweiten Link zu richten und beim Lesen der Daten und Fakten besonders auf die Seite 22 zu achten. Dort erfährt man wie in puncto Politik geantwortet wurde.

So heisst es dort (Zitat):

Betrachtet man die Ergebnisse der Duisburger Bürgerbefragung, lässt sich zunächst festhalten, dass 80 % der Antwortenden angaben, bei der letzten Kommunalwahl im Jahr 2020 gewählt zu haben. 15,7 % gaben an, nicht ge-
wählt zu haben, während sich 4,3 % der Antwortenden nicht erinnern konnten, ob sie an der Wahl teilgenommen haben. Hier zeigt sich deutlich, dass sich das Antwortverhalten erheblich von den realen Bedingungen der Kommunalwahl unterscheidet (39,2 % Wahlbeteiligung der Wahlberechtigten 2020). Mögliche Erklärungen hierfür sind, dass Personen, die sich in Form von Wahlen aktiv an der Gestaltung der Gesellschaft beteiligen, auch tendenziell eher bereit sind, an einer freiwilligen Befragung zu den Lebensbedingungen in der Stadt Duisburg teilzunehmen und somit in den Antworten überrepräsentiert sind. Hinzu kommen möglicherweise Effekte sozialer Erwünschtheit, also die Erwartung der Befragten, dass die Teilnahme an einer Wahl der sozialen Norm entspricht und entsprechend die eigene Antwort verändert wird. Diese Verzerrungen müssen bei der Bewertung der Ergebnisse berücksichtigt werden.

Das klingt alles ziemlich nachvollziehbar. Doch man muß seinen Denkapparat-Tuner genau an der Stelle mal höher drehen als sonst.

Wenn in Bezug auf die politischen Fragen unterstellt wird die Befragten wären tendenziell eher bereit und es gäbe möglicherweise Effekte sozialer Erwünschheit, dann stellt sich mir die Frage warum gilt das eigentlich nicht für die gesamte Erhebung und sämtliche Fragen?

Wer DUISTOP regelmässig liest weiß, dass ich die Verantwortlichen aus Politik und Verwaltung oftmals als Vollversagende bezeichne. Gemessen an diesem Befragungsergebnis liege ich total und komplett falsch.

Auch die Ratsleute werden sich unisono zurücklehnen und größtenteils denken: Eigentlich doch in der Summe recht ordentlich und gut gemacht.

Dass es sich um ein Polit-Verwaltungs-Top-Washing handelt, steht für mich fest, vor allem auch deshalb weil ich Link & Co einerseits nicht traue und andererseits alles zutraue.

Wenn aus solchen Befragungen bzw. auf Grundlage dessen auch noch ernsthafte politische Handlungsempfehlungen entstehen, dann „Good Night“.

 

* Schlaumis die mich aufgrund dieser Anmerkung („besser als bei jeder Wahl“) angemailt haben und meinen, dass die Wahlbeteiligungen durchaus höher waren und sind, habe ich mitgeteilt, dass dies relativ zum Umfang der verlangten Arbeit und Bedeutung gemeint sei – bei einer Wahl ein bis zwei Kreuze – hier mindestens 80.  Dabei habe ich den anteiligen Einsatz des Denkapparats noch nicht berücksichtigt.

 

Update:

Hier mal was eher Wissenschaftliches zu Antwort-Tendenzen in Befragungen:

https://www.gesis.org/fileadmin/upload/SDMwiki/Archiv/Antworttendenzen_Bogner_Landrock_11122014_1.0.pdf