Diskussion bei Markus Lanz: Brief an Boris Palmer – OB von Tübingen

In der gestrigen Markus-Lanz-Sendung im ZDF ging es mit vier VertreternInnen von Kommunen und Landkreisen besonders um die immer prekärere finanzielle Lage vor Ort. In Berlin werden oftmals Gesetze und Vorschriften „ausgetüftelt“ ohne die konkreten Verhältnisse und Möglichkeiten vor Ort zu berücksichtigen. Deutlich wurde in der gestrigen TV-Diskussion auch wie sehr das demokratische System an der Basis gefährdet ist. Genau aus diesem Grund habe ich Herrn Steinmeier im Februar 2022 angeschrieben. Heute früh schrieb ich Boris Palmer, den Tübinger OB, an. Hier mein Brief an ihn.

Guten Morgen Herr Palmer,

mit grossem Interesse habe ich die gestrige ZDF-Sendung von Markus Lanz verfolgt.

https://www.zdf.de/play/talk/markus-lanz-114/markus-lanz-vom-22-april-2025-100?staffel=2025

Das Thema interessiert mich als Lokaljournalist in Duisburg natürlich besonders, vor allem weil hier bei uns viele derzeitige bundesweite Probleme überdeutlich zutage treten. Aber auch Probleme die Sie und Ihre KollegenInnen gestern nicht besprachen.

Diesbzgl. übersende ich Ihnen einen Brief von mir an den Bundespräsidenten aus dem Februar 2022. Anlaß war damals sein Aufruf zu mehr Einsatz für die Demokratie. Eine Reaktion darauf gab es bisher von ihm nicht und auch die von mir darin geschilderten Zustände haben sich in Duisburg nicht geändert – geschweige denn verbessert. Eher im Gegenteil.

Zusätzlich habe ich folgende Infos für Sie die insbesondere die finanzielle Situation der Stadt Duisburg betreffen und die es womöglich so in anderen Städten vergleichbar nicht gibt:

Duisburg leistet sich üppige Beteiligungen bzw. Beteiligungsfirmen die laufend jährlich mit Millionen EURO bezuschusst werden, deren Arbeit aber nichts Sinnvolles erbringt.

Duisburg leistet sich ein Fussball-Stadion das im Jahr ca. zwei Millionen EURO an Unterhalt verschlingt ohne dass es nennenswerte Einnahmen gibt.

Das Fussball-Stadion hat einen Dachschaden der womöglich mind. 20 Mio. EURO Sanierungskosten verschlingen wird. Unklar ist wie das sein kann, da das Stadion so alt noch nicht ist. Ev. liegt es auch daran, dass nie in die Instandhaltung investiert wurde. Der ehemalige Baunternehmer unterstützt inzwischen wohl wieder gerne die Fussballmannschaft als Sponsor bzw. Mäzen, die auch der OB ganz toll findet.

Duisburg bezahlt gerade 1,1 Mio. EURO für eine Sportanlagensanierung die einer Düsseldorfer Sportfirma, die ein American Football Team betreibt, zugute kommt, nur damit dieses Team in Duisburg trainieren kann.

Duisburgs Baubeteiligungstocher hat Millionen EURO versenkt um grosse Baugebiete zu kaufen, teils bodenverseucht, um diese herzurichten, während nun fast niemand dort bauen will.

Trotzdem wird in einem Fall bereits eine Seilbahn für Millionen EURO geplant. Wobei es üppige Zuschüsse (von Bund, Land) geben soll.

Das Stadtheater wurde die letzten 12 Jahre so dermassen vernachlässigt, dass eine Sanierung mind. 240 Mio. EURO kosten soll und ein Neubau mind. 320 Mio. EURO. Ich denke die Zahlen sind noch niedrig angesetzt um vom Rat durchgewunken zu werden.

Ich könnte damit noch unendlich fortfahren vor allem wenn ich auch ältere Vorfälle an üppigster Verschwendnung aufzählen würde. Die Stadt will mir natürlich keine Auflistung zukommen lassen wie Geld vergeudet wird und wurde, verlangt aber unbedingt und laufend einen Altschuldenerlass von Bund und Land.

Der würde m.E. nur dazu führen, dass neue Kredite und Schulden möglich sind und dann weiter Geld verbrannt wird.

Vernachlässigt werden andereseits zum Beispiel alle Massnahmen im Zusammenhang mit dem Onlinezugangsgesetz. Neue Industrien werden nicht angesiedelt, man setzt weiter auf Stahl, lässt sich aber vom hiesigen Stahlunternehmen an der Nase herumführen, so mein Eindruck. Man gibt vor in enkelfähige Stadtteile zu investieren, versenkt aber nur unnötig Geld und sonstige Ressourcen. Fördermittel aus Berlin versickern in dubiosen unausgegorenen Projekten die nicht transparent sind aber parteipolitisch trotzdem PR-mässig ausgeschlachtet werden.

Postenvergaben erfolgen nach Parteibuch. Ideen der Bürger sind nur Alibis, Bürgerbeteiligungen ebenso.

Fazit:

Das TV-Gespräch gestern hat sicherlich aufgezeigt wie sehr Kommunen belastet sind, doch ganz ehrlich, ich sehe hier vor Ort in Duisburg, dass man dies nicht pauschal Berlin und Düsseldorf(NRW) in die Schuhe schieben kann, weil die meisten Probleme vor allem auch parteipolitisch lokal hausgemacht sind.

Mit freundlichem Gruß

DUISTOP
www.duistop.de
Stadtmagazin für Duisburg seit 2018

Michael Schulze

Herausgeber

 

Anmerkung 1:

Herr Palmer hat mir heute morgen bereits geantwortet. Sinngemäß schreibt er, dass er die Duisburger Verhältnisse nicht kennt, er aber beunruhigt ist, dass inzwischen auch „gut geführte(!)“ Kommunen von Finanzproblemen betroffen sind.

Nachtrag 1:

Ja Leute, ich habe Geldgräber wie The Curve und Küppersmühle nicht aufgezählt. Meine Liste der Verschwendungen erhebt auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bitte keine weiteren Hinweis-Mails mehr. Danke.