Beitrag der MBI, Mülheim
Die kleine Großstadt Mülheim/Ruhr mit etwas über 172.000 Einwohnern war bereits vor Corona unangefochten NRW-Spitzenreiter bei der Pro-Kopf-Verschuldung mit ca. 11.500 €/Kopf, hat über 2 Milliarden Schulden, über 1,2 Milliarden Kassenkredite („Kredite zur Liquiditätssicherung“) und noch schlimmer ein negatives „Eigenkapital“ von über 600 Mio. €, d.h. eine hoffnungslose bilanzielle Überschuldung. Laut Bertelsmann-Studie war sie zudem die deutsche Großstadt mit dem höchsten Verschuldungstempo im vergangenen Jahrzehnt.
Und heute: Überraschung?!?! Die sog. Finanz“aufsicht“ beim RP hat auch den Haushalt für 2020 genehmigt.
Der RP nennt das in einer Presseerklärung: „Mutmacher für Mülheim: Die Stadt Mülheim an der Ruhr hat heute die Genehmigung für die dritte Fortschreibung ihres Haushaltssanierungsplans für die Jahre 2017 bis 2023 von Regierungspräsidentin Birgitta Radermacher erhalten.“ Na gut, wegen Corona ist sowieso alles nicht einmal das Papier mehr wert, doch die hyperbankrotte Stadt Mülheim kann weiter Geld ausgeben wie gehabt, auch wenn die sogar bilanzielle Überschuldung von über 600 Mio. € gesetzlich verboten ist. Und die coronabedingten riesigen neuen Haushaltslöcher werden in Schattenhaushalten quarantänisiert. Logo, dass SPD und Kämmerer fordern, dass Bund und Land alle Altschulden übernehmen sollen.
Doch: Wo soll das alles enden? Oder: „Es fährt ein Zug nach Nirgendwo.“
Es fällt schwer, bei den Verantwortlichen in Stadt und Land noch einen Rest an Seriösität zu erkennen. Im letzten Jahr versuchten die MBI noch, die windige Genehmigung des RP zu analysieren, vgl.: Hurra: Genehmigung auch des Haushaltes 2019! Wirklich hurra? Selbst ohne die schwere Rezession, die auf Corona folgen wird, lohnt sich keine Würdigung mehr. Die Laschet-Regierung und ihre Organe wie die demokratieferne sog. „Bezirksregierung“ ist längst auf dem gleichen Level wie ihre auch deshalb abgewählten rot-grünen Vorgänger. Von Nachhaltigkeit keine Spur, von Zukunftsfähigkeit noch weniger. Und das größte Krisengebiet Deutschlands, der Ruhrpott mit über 5,1 Mio. Menschen, taumelt orientierungslos ins Ungewisse, entwickelt sich halt wie in USA zum „rust belt“?
Selbst die lokale WAZ bemängelt: „Regierungspräsidentin stützt Mülheims unvollendeten Sparkurs – Haushaltsbeschlüsse aus 2018 gilt es noch umzusetzen, aber die Finanzaufsicht drückt beide Augen zu. Seit 2018 sind SPD, CDU und Grüne die Antwort schuldig, wie in Mülheims ÖPNV 7 Millionen Euro eingespart werden sollen. Die Aufsicht toleriert’s“. Und das ÖPNV-Desaster ist nur ein Punkt der seltsamen Mülheimer Haushaltsführung!
Nachtrag von S. 4 der letztjährigen RP-Haushaltsgenehmigung vom 12.12.2019, damals nachträglich für den Etat 2019:
“ … Aufgrund des insgesamt hohen, nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrags schafft es Mülheim jedoch auch unter Zuhilfenahme der Mittel aus dem Stärkungspakt Stadtfinanzen nicht annähernd, den rechtswidrigen Zustand der bilanziellen Überschuldung bis 2023 zu überwinden… Dies gilt umso mehr, als zu der bilanziellen Überschuldung ein hoher Bestand an Liquiditätskrediten tritt, allein aufgrund der derzeitigen Zinssituation waren die vorerwähnten Konsolidierungserfolge einschließlich des Schuldendienstes zu erreichen. …“
Zusätze zur Quantifizierung:
- „Mülheim erhält zwischen den Jahren 2017 und 2022 Stärkungspaktmittel in Höhe von insgesamt rund 157 Mio. Euro.“ (S. 2)
- „… ist gleichzeitig auch die Ermächtigung zur Aufnahmen von Liquiditätskrediten nochmals auf nun 1.250.000.000 Euro ausgeweitet worden.“ (S. 8)
Die Aufsichtsbehörde(=RP) umschrieb wohlwollend das Haushaltsdesaster letztes Jahr dann so: „In meiner Haushaltsverfügung vom 18.12.2018 zum Haushalt des Jahres 2018 hatte ich bereits darauf hingewiesen, dass das verstärkte Maßnahmenpaket 144 mit seinen Einsparungen beim Personalaufwand und beim ÖPNV noch einer weiteren Konkretisierung bedarf, um die Genehmigungsfähigkeit bei der nächsten Fortschreibung zu erreichen.“
Dann stand also letztes Jahr die Genehmigungsfähigkeit der nächsten Fortschreibung an und von der angemahnten Konkretisierung war bekanntlich außer Fehlanzeige nichts zu sehen. Das gleiche jetzt wieder nur mit dem einzigen Unterschied, dass die „Aufsicht“ mit den zugedrückten Äugelein die Genehmigung dieses Mal nicht nachträglich zum Jahresende verkündete. Doch mit Corona scheint ohnehin alles egal bzw. gerechtfertigt, oder?