Antworten von Christian Leye (Die Linke) – seit kurzem für Duisburg im Bundestag

Christian Leye sitzt seit kurzem für Die Linke „frisch“ im Bundestag. Ich habe das zum Anlaß genommen ihm ein paar Fragen zu stellen. Gestern kamen seine Antworten. Seinen Parteikollegen Mirze Edis hatte ich noch vor der Wahl erreicht und auch von ihm Antworten erhalten. Er hat den Einzug ins Parlament nicht geschafft.

Anmerkung: Entgegen meiner sonstigen Gepflogenheit die Antworten nicht weiter zu kommentieren, kann ich mir den Hinweis darauf, dass insbesondere die letzte Frage (Nr. 10) nicht vollständig beantwortet wurde – immerhin geht es da um seinen möglichen Einsatz für DUISTOP – nicht verkneifen.

Aber lesen Sie selbst!

Frage 1: Sie sind neu im Bundestag, zum ersten Mal gewählt, wie sieht z.Z. Ihr typischer Tagesablauf als Abgeordneter des Bundestags aus?

Einen typischen Tagesablauf gibt es eher nicht. Ich lebe weiterhin mit meiner Familie in Duisburg, und arbeite auch viel von meinem Wahlkreis aus. Wegen Corona habe ich immer noch viele Videokonferenzen. In den Sitzungswochen bin ich in Berlin, da fahre ich mit der Bahn hin. Dort stehen dann eng gedrängt ganz viele Termine an: Fraktions-, Arbeitsgruppen- und Ausschusssitzungen, Gespräche mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fraktion und meines Büros, aber zum Beispiel auch mit der Presse und Öffentlichkeit. Und natürlich die Plenums-Sitzungen des Bundestages selbst.

Frage 2: Welche Ziele haben Sie sich politisch gesetzt an denen Sie grundsätzlich gemessen werden wollen?

Bei Politikerinnen und Politikern fragen sich die Leute häufig zu Recht, für wen sie eigentlich Politik machen. Daran will ich gemessen werden: Ich mache Politik mit und für Menschen, die nicht mit dem goldenen Löffel im Mund geboren sind. Die zum Beispiel mit prekären Jobs über die Runden kommen, die jeden Monat hart arbeiten müssen, um sich und ihre Familien über Wasser zu halten. Oder die einen vernünftig bezahlten Job suchen und nicht finden. Die auf gute öffentliche Schulen und ein funktionierendes Gesundheitssystem angewiesen sind, weil sie nicht das Geld haben, um sich alles im Zweifel einfach privat dazu zu kaufen. Im Mittelpunkt steht für mich als Ökonom die Verteilungsfrage. Es geht immer darum, wie der Reichtum verteilt wird – egal, ob Milliardäre ins Weltall fliegen oder in Duisburger Schulen die Decke runterkommt.

Frage 3: Welche Ziele haben Sie sich für Duisburg gesetzt, an denen Sie gemessen werden wollen?

Ein großes Thema ist für mich zum Beispiel der Kampf um die Arbeitsplätze in der Stahlindustrie. Ich will weiterhin Solidarität organisieren, um die Industriearbeitsplätze hier zu schützen. Das geht nur, wenn wir die Produktion klimafreundlich umbauen.
Ich bin darum sehr froh, dass meine Fraktion mich in den Wirtschaftsausschuss des Bundestages schickt. Als LINKE machen wir seit Jahren Druck dafür, dass die notwendigen Milliarden für den sozialen und ökologischen Umbau von Thyssenkrupp endlich in die die Hand genommen werden. Das muss passieren, denn der Verlust dieser Arbeitsplätze im Ruhrgebiet wäre eine soziale Katastrophe ungeahnten Ausmaßes. Alleine bei uns in Duisburg arbeiten ja 17.000 Menschen direkt in der Stahlindustrie, mehr als 100.000 Arbeitsplätze hängen von ihr ab.

Die SPD denkt ja inzwischen über eine Minderheitenbeteiligung des Landes NRW an Thyssenkrupp Steel nach, das ist ein längst überfälliger Schritt in die richtige Richtung. Wir sagen aber auch: Es darf nicht schon wieder so sein, dass Kosten von der Allgemeinheit getragen werden und die Gewinne hinterher trotzdem weiter privat sind. Darum braucht die SPD Druck von links: Wir wollen das Geld investieren, aber dabei die Stahlsparte von Thyssenkrupp in eine öffentliche Industriestiftung überführen. Dann fließen die öffentlichen Gelder in den Erhalt der Arbeitsplätze und den umweltfreundlichen Umbau, und nicht in die Taschen der Aktionärinnen und Aktionäre. Außerdem können wir mit der Industriestiftung mehr Demokratie durch mehr Mitbestimmung schaffen.

Frage 4: Sind bereits Lobbyisten an Sie herangetreten, wenn ja wie und welche, und wie gehen Sie mit Ihnen um?

Ich bekomme schon viel Post, zum Beispiel vom Facebook-Konzern Meta oder von der Fleischindustrie, die ihre jeweiligen Wünsche vortragen. Ich lese mir das schon durch, denn um die Interessen der Beschäftigten zu vertreten, muss ich ja auch wissen, mit was ihre Chefs die Politik so umgarnen. Getroffen habe ich mich mit denen aber nicht. Stattdessen war ich zum Beispiel bei der IG Metall bei uns in Duisburg oder bei den streikenden Beschäftigten im Handel, die dafür kämpfen, dass ihre Arbeitgeber endlich den Tarifvertrag anerkennen, statt Lohndumping und Tarifflucht zu betreiben.

Frage 5: Herr Mahmut Özdemir von der politischen Konkurrenz ist mit der Aussage (vor der Wahl) einen siebenstelligen Förderbetrag für Duisburg in seinen zwei Legislaturen akquiriert zu haben aufgetreten. Er will mir aber partout nicht mitteilen ob es stimmt, wie er es gemacht hat usw. Auch sonst konnte ich seine „Angeberei“ nicht verifizieren. Was halten Sie davon und ist es möglich Förderbeiträge für Duisburg gezielt einzuwerben?

Wenn Fördermittel in eine Stadt fließen, ist das in der Regel natürlich nicht der Verdienst einer einzelnen Person. Da werden Förderprogramme aufgelegt, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung schreiben dann Anträge und so weiter. Ich würde da anders kommunizieren, aber streite mich mit den Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Parteien lieber über die wichtigen Sachfragen.

Frage 6: Die Auseinandersetzungen um Corona-Maßnahmen und eine Impfpflicht drohen Deutschland mehr und mehr zu spalten – auch in Duisburg sind Demonstrationen gestartet worden. Wie sehen Sie die Situation und worin könnte eine Lösung/ein Ausweg bestehen, ev. auch im Lokalen vor Ort?

Ich glaube, die Auseinandersetzung um die Impfpflicht ist eine Ablenkungs-Debatte. Sie gaukelt den Bürgerinnen und Bürgern vor, dass die Regierung etwas unternimmt – dabei verlagert sie vor allem die Verantwortung von den politisch Handelnden auf die Betroffenen. Das halte ich für falsch, denn die Regierung versagt in zentralen Punkten: Sie unternimmt praktisch nichts, um die Arbeitsbedingungen in den Kliniken endlich zu verbessern. Seit Beginn der Corona-Pandemie haben tausende Pflegekräfte zusätzlich ihren Job gekündigt. Wir als LINKE haben vorgeschlagen, Pflegekräfte mit verbesserten Arbeitsbedingungen und Anreizen zurückzugewinnen. Außerdem könnte die Bundesregierung weit mehr tun, um die Impfquote zu erhöhen. Statt auf Druck zu setzen, etwa durch die zwischenzeitliche Abschaffung von kostenfreien Tests, haben wir die Einführung von positiven Anreizen beantragt, die schnell wirken. Auch das haben die Mehrheits-Parteien leider abgelehnt.

Die Bundesregierung hat sich auf internationaler Ebene sogar dagegen ausgesprochen, die Patente der Corona-Impfstoffe freizugegeben. So verdienen sich Pharmakonzerne dank unseren Steuergeldern dumm und dämlich, während Menschen in ärmeren Ländern, die Schutz benötigen, diesen nicht erhalten. Die Nicht-Freigabe von Impf-Patenten begünstigt auch die Entstehung und Verbreitung von Virusvarianten. Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Marcel Fratzscher hat die Weigerung der Bundesregierung die Impf-Patente freizugeben deshalb auch einen der schwerwiegendsten Fehler der Merkel-Regierung genannt. Die Ampel wird diesen Fehler wohl fortsetzen: Unsere parlamentarische Initiative, dass Deutschland den Antrag Südafrikas und Indiens bei der Welthandelsorganisation auf Freigabe der Impfstoff-Patente aktiv unterstützt, wurde mit den Stimmen der anderen Fraktionen abgelehnt.

Frage 7: Die Duisburger City droht immer mehr zu verwaisen, ebenso wie andere Innenstädte, was sollte man in Duisburg speziell dagegen unternehmen? Sind die Maßnahmen hier vor Ort zielführend, obwohl ehrlich gesagt, hier seit Jahren nichts von Bedeutung passiert oder angedacht ist?

Die Corona-Krise ist natürlich ein weiterer Schlag für unsere Innenstadt. Aber es stimmen auch viele politische Rahmenbedingungen nicht. Die Verkehrssituation ist unterirdisch. Es wird viel zu wenig in eine Verkehrswende investiert, und der ÖPNV ist ein Witz und im Ruhrgebiet sowieso viel zu teuer. Zur Wahrheit gehört auch, dass Duisburg eine drastisch unterfinanzierte Stadt ist, in der von der öffentlichen Hand bereits vor der Krise deutlich weniger investiert wurde als in vielen anderen Städten. Seit vielen Jahren wird die Infrastruktur auf Verschleiß gefahren. Viele Probleme sind hausgemacht, aber die Duisburger Stadtführung müsste auch viel aufmüpfiger gegenüber der Bundes- und Landespolitik sein, um gemeinsam mit anderen Städten eine ausreichende Finanzierung der Kommunen einzufordern. Wenn nur wir das tun, reicht das nicht.

Frage 8: Ihr Parteikollege Mirze Edis hat in einem DUISTOP-Interview davon gesprochen, dass der Duisburger OB sich wie ein Gutsherr benimmt und auftritt. Können Sie das bestätigen und wenn ja, wie kann das sein und warum ist die hiesige Opposition so schwach im Auftritt dagegen?

Ich nehme sehr wohl wahr, dass einige an den Schalthebeln der Macht zum Beispiel Armut und soziale Spaltung in unserer Stadt eher achselzuckend hinnehmen, anstatt ihre Bekämpfung zum Top-Thema zu machen. Das finde ich überhaupt nicht gut. Gleichzeitig sehe ich, dass zum Beispiel unsere Linksfraktion im Rat als soziale Opposition immer wieder den Finger in die Wunde legt, widerspricht und gute Gegenvorschläge macht. Diese Arbeit ist unglaublich wichtig.

Frage 9: Im nächsten Jahr soll bundesweit, also auch kommunal, das OZG umgesetzt werden, d.h. viele Services der Stadt sollen digital / online angeboten werden. Die Stadt antwortet mir aber weder auf Fragen nach dem Stand der Dinge zum OZG noch zu Fragen bzgl. der Cybersicherheit, des Datenschutzes, noch bzgl. des Vorhabens SmartCityDuisburg mit HUAWEI zu entwickeln? Wissen Sie mehr dazu was hier vor Ort „läuft“ und ab 2022 „laufen“ wird?

Ja, unter dem Begriff Smart City sammelt sich viel Wortgeklingel, und es fehlt an Transparenz. Die ist aber wichtig, denn Smart-City-Projekte können ein Einfallstor für Großkonzerne und Datenraub sein. Unsere Stadt braucht eine Digitalisierung, die sicher, transparent und gemeinwohlorientiert ist. Und es darf dabei niemand abgehängt werden. Dafür ist ein Digitalisierungsprozess nötig, der den Interessen aller Bürgerinnen und Bürger verpflichtet ist, und nicht denen von privaten Unternehmen. Denn auch die digitale Stadt soll kein Renditeprojekt sein, sondern ein demokratisches Gemeinwesen.

Frage 10: Seit mehr als drei jahren verweigert mir der OB und in Folge auch die gesamte Verwaltung jegliche Presseauskunft. Trotz eindeutigem Wortlaut in Pressegesetz NRW und Medienstaatsvertrag NRW. Er ist also zur Auskunft verpflichtet. Wie finden Sie das in einer rechtsstaatlichen Demokratie? Und wie werden Sie sich für DUISTOP und damit für die Pressefreiheit und gegen eine Quasi-Zensur einsetzen?

Alle müssen sich an geltendes Recht halten, auch die Vertreterinnen und Vertreter der Stadt Duisburg. Als Mitglied einer Oppositionspartei kann ich auch ein Lied davon singen, wie Verwaltungen manchmal nicht die notwendige Offenheit an den Tag legen. Als LINKE setzen wir uns unter anderem für ein Transparenzgesetz auf Bundesebene ein, durch das alle in Behörden zur Verfügung stehenden Informationen der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden müssen. Die bisherigen Regeln im Informationsfreiheitsgesetz reichen nicht aus. Mit unseren Anfragen auf allen möglichen parlamentarischen Ebenen tragen wir als LINKE auch dazu bei, dass mehr Informationen öffentlich werden. Sehr gut finde ich darüber hinaus zivilgesellschaftliche Initiativen, die den Druck für mehr Informationsfreiheit erhöhen, zum Beispiel das gemeinnützige Projekt fragdenstaat.de. Es ist unglaublich wichtig, den Regierenden auf die Finger zu gucken. Sowohl von innerhalb als auch von außerhalb der Parlamente.