Wem gehört die Stadt? Rund 20 Jahre nach dem Anfang vom Ende von Teilen Bruckhausens

Die Antwort ist eigentlich einfach, die Stadt gehört den Bürgern.

Ein Beitrag von Katrin  Susanne Gems aus dem Jahr 2012.

Aber ist das so? Die Wahl des neuen Oberbürgermeisters hat gezeigt, dass fast 70% der Duisburger ihr Wahlrecht nicht wahrgenommen haben, also die absolute Mehrheit aller Duisburger. Das Phänomen der „Wahlmüdigkeit“ hier in extremer Form zeigt aber nicht, wie man es in der Presse lesen musste, dass die Duisburger eben dumm und faul wären, es zeigt meiner Meinung nach sehr klar die Resignation die in dieser Stadt herrscht: Die Bürger glauben nicht mehr daran, über Wahlen politischen Einfluss nehmen zu können. Das ist ein schlimmer Befund für die Demokratie und es heißt auch: Als Herren ihrer Stadt begreifen sich die Bürger nicht mehr. Das wundert nicht: Obwohl 21 Menschen in dieser Stadt ums Leben gekommen sind, obwohl sich die öffentlichen Bauskandale häufen, zeichnet sich kein „Neuanfang für Duisburg“ ab, nichts wird aufgeklärt und die Stadt – die offizielle Stadt – spricht immer noch nicht „ergebnisoffen“ mit Menschen, denen sie die Heimat nehmen will.

Immer wieder wird gesagt, Abriss sei für Duisburg alternativlos. Aber was auf der Welt ist alternativlos? Es gibt in so gut wie allen Bereichen immer Alternativen und gerade die Geschichte des Städtebaus zeigt, das die angeblich alternativlosen Konzepte, oft die größten Katastrophen angerichtet haben.

„Rund 14.000 Wohnungen sind in Duisburg aktuell ohne Bewohner. Diese Zahl nennt Stadtdirektor Dr. Peter Greulich, der vorübergehend auch das Planungsdezernat leitet. Duisburg sei in besten Zeiten auf einen Bewohnerzahl von 620.000 ausgelegt worden. Doch liege die Einwohnerzahl inzwischen deutlich unter 500.000 (490.000) -Tendenz weiter sinkend. Auch in der Siedlung, die dem geplanten Outlet-Center weichen soll, stehen nach Angaben von Vermieter Immeo schon 50 der knapp 400 Wohnungen leer (…)“Wir müssen Teile der Stadt abreißen“ war schon Teile der Ex-Planungsdezernent Jürgen Dressler überzeugt. Es werde unvermeidlich sein, sich von unattraktiven Wohngegenden zu trennen, so der 2011 in Ruhestand gegangene Dezernent. Dabei gehe es nicht nur um Leerstand, sondern auch um Kosten für Infrastruktur. Beispiel: Immer weniger Bürger müssen pro Kopf immer höhere Gebühren bezahlen, um ein längst zu großes Kanalnetz zu unterhalten.“ (Der Westen, 24.01.2012)

Das klingt, als lägen weite Teile der Stadt öd und leer da, ein jammervolles Bild und dann auch noch die drohenden höheren Kosten für die Bürger. Dressler gibt aber in diesem Zitat ein entscheidendes Stichwort: Er will sich von „unattraktiven Wohnlagen“ trennen.

Das „Städtebauliche Entwicklungskonzept“ für Marxloh macht deutlich was das heißt:

„Auch wenn Marxloh einer der noch jüngsten Stadtteile in Duisburg ist, hat er in den letzten 15 Jahren einen deutlichen Bevölkerungsrückgang erlebt und wird auch zukünftig an Bevölkerung verlieren, wenn auch die Ausprägung geringer sein kann, als in anderen Stadtteilen. Es stellt sich daher die Frage, wie ein sozial belasteter Stadtteil mit wenigen baulichen und städtebaulichen Potentialen nicht nur die sozialen und segregationsbedingten Probleme meistern wird, sondern wie auch noch zusätzlich ein schmerzlicher Schrumpfungsprozess gestaltet werden soll.“

Die Autoren des Konzepts empfehlen, bis 2027 in Marxloh 450-500 Häuser abzureißen, obwohl Marxloh selbst nach den eigenen Angaben vermutlich weniger schrumpfen wird als andere Stadtteile. Wenig Worte verliert das Konzept über die noch immer ortsprägende gründerzeitliche Bausubstanz, wenn dann im negativen, fast gar keine Worte auch über positive Entwicklungen im Stadtteil in den letzten Jahren, die für mich deutlich sichtbar sind und es erkennt nicht im geringsten das Potential der vielen Menschen im Stadtteil, die ihn von ganzem Herzen lieben.

In Bruckhausen riet das städtebauliche Gutachten der Innova zur Vorbereitenden Untersuchung zur „Sanierung“ 2007 sogar von einem großen, flächenhaften Abriss ab: „Wenn die künftige Bruckhausener Bevölkerung auch im Ortsteil mit Wohnraum versorgt werden soll, darf folglich die Zahl der heutigen Wohnungen auch nur um 7,8% sinken. Da im Untersuchungsgebiet 922 der 2963 Bruckhausener Wohnungen liegen, wird der Wert bei einem vollständigen Rückbau dieser Bestände deutlich übertroffen. Würde sich die gesamte für 2020 prognostizierte Bruckhausener Bevölkerung mit Wohnraum versorgen wollen, würde zunächst mengenmäßig der heute leer stehende Wohnraum benötigt.“ (14) Die Untersuchung der Innova empfahl daher aus städtebaulicher Sicht eine Sanierung nach dem Leipziger Modell der „perforierten Stadt“, d.h. nur einzelne Häuser, deren Sanierung nicht lohnen würde, abzureißen und sprach sich gegen flächenhaften „Rückbau“, sprich Abriss aus.

Wer die Veröffentlichungen der Stadt genau liest, wird feststellen, dass auch sehr viel von Neubau die Rede ist. Dazu ein Zitat aus der Broschüre zum neuen Flächennutzungsplan Duisburg 2027:

„Die Etablierung des Wohnstandorts Duisburg für einkommensstarke und vermögende Haushalte ist für die Einwohnergewinnung, für die Stabilisierung sozialer Strukturen in den Quartieren wie auch für das Steueraufkommen der Stadt von besonderer Bedeutung. Um diese Haushalte in Duisburg zu halten und neue hinzuzugewinnen, muss stadtweit das Wohnungsangebot um hochwertige Objekte ergänzt werden. Wohnkonzepte für diese Zielgruppe sollten sich an dem Trend hin zu mehr Komfort und Hightech ausrichten. Profitieren kann Duisburg von seinen moderaten Immobilienpreisen in Verbindung mit der unmittelbaren Nachbarschaft zur Wachstumsregion Düsseldorf, die nur noch geringe Wohnbaureserveflächen besitzt.“

Abgerissen werden soll also vor allem in den von der Stadt so bezeichneten „Problemstadtteilen“ ein Wort, dass ich gerne als Unwort des Jahres vorschlagen würde , in denen eher ärmere Menschen und „Menschen mit Zuwanderungsgeschichte“ zuhause sind, während andererseits für Menschen mit gutem Einkommen gebaut werden soll. Mit anderen Worten: Der preiswerte Wohnraum für arme Menschen wird verknappt. Gleichzeitig will die Stadt mit den Abrissen höhere Quadratmeterpreise erreichen. Die können sich aber arme Menschen nicht leisten. Die Stadt Duisburg wünscht sich als Bürger mehr Düsseldorfer als „Menschen mit Zuwanderungsgeschichte“ und arme Menschen, könnte man sagen. Und das will sie erreichen, indem sie weniger Wohnraum für arme Menschen anbietet und mehr für „Vermögende“, also nicht, indem sie die Bürger der Stadt unterstützt, sondern, indem sie sich neue Bürger sucht.

Damit folgt die Stadt einem offenbar bundesweiten Trend, nur noch im Luxussegment zu bauen und den sozialen Wohnungsbau völlig zu vernachlässigen, so dass z.B. Thomas Beyer von der Nationalen Armutskonferenz im Juni darauf hinwies, dass es in Deutschland inzwischen schon für eine Familie mit mittlerem Einkommen schwierig sei, guten, bezahlbaren Wohnraum zu finden und das durchaus nicht nur in den großen, reichen Städten.

Zu diesem Interesse am Abriss treten noch die Interessen weiterer Parteien. Zum Flächennutuzungsplan 2027 meldet sich die „lokale Metallindustrie“ zu Wort:

„Darüber hinaus erwarten wir einen ausreichende Vorratshaltung von GI-Gebieten (Gewerbegebieten) für die Realisierung von Erweiterungsinvestitionen. Das bedeutet, dass Flächen, ausreichender Größe und Lage vorhanden sein müssen, um es auch unseren Lieferanten oder Kunden zu ermöglichen, sich in Duisburg anzusiedeln.

Bei diesem Satz musste ich sofort an den sogenannten „Grüngürtel“ denken, der im Beecker Bereich nämlich genau das werden soll: Ein Gewerbegebiet.

Und natürlich spielen auch die großen Wohnungsunternehmen ihre Rolle, wie das Beispiel der Siedlung Zinkhüttenplatz zeigt. So erwähnt die Broschüre zum Flächennutzungsplan 2027, dass aufgrund des niedrigen Mietniveaus in Duisburg viele Wohnungsunternehmen nach eigenem Bekunden Probleme mit der Rentabilität von Investitionen in den Mietwohnungsbestand hätten.

Verfall von Wohnquartieren entsteht aber nicht nur durch Wohnungsunternehmen, die bewusst ihren Bestand vernachlässigen. Das Beispiel Bruckhausen zeigt, dass Städte den Verfall ganzer Stadtteile bewusst herbeiführen können, indem sie die im Baugesetzbuch festgelegte Sanierungsgesetzgebung anwenden.

Im Jahresbericht 2005/ 2006 verkündete die Firma TKS ThyssenKrupp Steel:

„Mit den derzeit implementierten, hochmodernen Umweltschutzeinrichtungen und -Maßnahmen hat Thyssen-Krupp Steel im Hinblick auf Staubemissionen eine technologische Grenze erreicht; die Belastungen in den extrem werksnahen Bereichen der Duisburger Stadtteile, Beeck, Bruckhausen und Marxloh durch den vom Unternehmen zu verantwortenden Beitrag lassen sich kaum weiter verringern. Deshalb können nur noch Maßnahmen zur Stadtentwicklung für eine Entlastung sorgen, von der alle Beteiligten profitieren. Die Stadt Duisburg, die Ent wick lungsgesellschaft Duisburg und ThyssenKrupp Steel haben da her ein so genanntes Grüngürtelkonzept entwickelt. Es soll
eine stärkere Trennung von Werksanlagen und Wohnbebauung durch Schaffung einer unbebauten, begrünten Pufferzone bewirken. Dieses Konzept soll die Lebens- und Wohnqualität im Duisburger Norden und damit die Attraktivität der Stadtteile Bruckhausen, Beeck und Marxloh er heblich verbessern. ThyssenKrupp Steel setzt sich gemeinsam mit der Stadt und der Entwicklungsgesellschaft Duisburg konsequent für dieses Ziel ein und will die Realisierung des Konzepts finanziell erheblich unterstützen.“

Um einen Stadtteil „sanieren“ zu können (Das Wort „sanieren“ kommt ja von „sanare“ = heilen, ist aber offenbar schon zu einem Synonym für Abriss geworden), müssen „städtebauliche Missstände“ festgestellt werden, was nach Sanierungsgesetzgebung in vorbereitenden Untersuchungen zu geschehen hat.

Die vorbereitende Untersuchung der Innova spricht an zwei Stellen von Leerstand, dem rechnerischen Leerstand von 10,8% und dem von Stadt Duisburg und EG-DU durch „Inaugenscheinnahme von außen“ ermittelten Leerstand von 36% der Gebäude. Die Sanierung von 2003/ 2004, die für Bruckhausen den Bau eines Immissionsschutzwalls auf TKS -Gelände und die tatsächliche Sanierung des Stadtteils vorschlug und ohne Begründung in der Schublage verschwand, sagte zum Thema Leerstand:

„Die Leerstände konzentrieren sich in der Regel auf wenige und hierbei wiederum auf deutlich vernachlässigte Objekte… Angesichts der örtlichen Situation, nach der sich diese Objekte innerhalb des überwiegend in Blockbauweise dicht bebauten Ortsteils verteilen, sind großflächige „RückbauKonzepte“ nicht anwendbar.“

Eine Erklärung für den offenbar sehr plötzlichen Anstieg der Leerstandsquote, neben der Methodik, mag der Abschlussbericht zur vorbereitenden Untersuchung bieten, die auch die Einwendungen der betroffenen Bruckhausener behandelt:

„Abwägungserheblich zum derzeitigen Zeitpunkt ist die Einwendung, die sich auf die Verursachung der städtebaulichen Missstände bezieht. Vorgetragen wird, dass überwiegend die aabsichtliche Unterlassung der Weitervermietung der im Eigentum der TKS stehenden Immobilien in Bruckhausen zur Erzeugung eines Wohnungsleerstandes und somit zur Herbeiführung städtebaulicher Missstände geführt habe. Zudem seien im Laufe der Jahre die Industrieflächen an die Wohnbebauung herangerückt.

Der Erlass einer Sanierungssatzung hängt davon ab, ob im Rahmen der Vorbereitenden Untersuchungen Städtebauliche Missstände im Sinne des § 136 BauGB festgestellt werden. Maßgeblich für das Vorliegen Städtebaulicher Missstände ist im Wesentlichen ein Vergleich zwischen dem, was ist und dem, was heutigen städtebaulichen Anforderungen entspricht. Es ist allein auf die Bebauung und/ oder sonstige Beschaffenheit des Gebietes abzustellen (Bay VGH, BRS 51 NR. 65). Die Entstehungsvoraussetzungen für die im Wege der Vorbereitenden Untersuchungen festgestellten städtebaulichen Missstände sind für dieEntscheidung über den Erlass einer Sanierungssatzung nicht entscheidungserheblich, zumal sich für das Entstehen städtebaulicher Missstände häufig ein Ursachenbündel ergibt.“

Das Unternehmen übergab diese Immobilien der Stadt Duisburg als „Sachspende“ , womit die Stadt Duisburg gleich im Besitz eines nicht geringen Anteils von Häusern im Abrissgebiet war.

Bereits im September 2006 wurde eine Veränderungssperre über das zukünftige Sanierungsgebiet, etwa die Hälfte des historischen Bruckhausen, verhängt. Das heißt, das es den Eigentümern von Immobilien von nun an nicht mehr erlaubt war, ihre Häuser „wertsteigernd“ zu renovieren – wobei praktisch jede Renovierung auch wertsteigernd ist.

Der Rat der Stadt Duisburg beschloss im Dezember 2007 die Sanierungssatzung. Mit Rechtskraft dieser Satzung Anfang 2008 war es den Eigentümern in Bruckhausen untersagt, ihre Wohnungen frei zu vermieten. Jeder Mietvertrag, der länger als ein Jahr laufen sollte, also auch jeder unbefristete, musste nun von der Stadt Duisburg genehmigt werden und im Zweifelsfall genehmigte die Stadt Duisburg eben nicht. Die Häuser durften nicht mehr beliehen werden und die Stadt Duisburg zahlte Mietern privater Eigentümer eine Umzugspauschale. Da der Abriss als beschlossene Sache galt, sahen sich viele Mieter recht früh nach anderem preiswerten Wohnraum um und nahmen die Umzugspauschale in Anspruch. Das war fatal für die Eigentümer, die Kredite für den auf ihrer Häuser aufgenommen hatten und noch nicht abbezahlt hatten: Sie konnten ihre Kredite nicht mehr bedienen. Viele mussten ihre Häuser zu niedrigen Preisen an die Stadt Duisburg verkaufen, die, anders als bei der Sachspende der Firma Thyssen den Wert der Häuser nicht nach dem Sachwert, sondern nach dem Ertragswert einschätzen lies. Die Stadt droht den Eigentümern seit Bekanntwerden der Abrisspläne ganz offen damit, sie zu enteignen, was bei der Behauptung, im vorderen Teil Bruckhausens wolle sowieso niemand mehr wohnen, schon fast komisch wirken würde, wäre es nicht so furchtbar traurig. Obwohl in Deutschland noch niemand für einen öffentliche Grünfläche enteignet worden ist, macht diese Drohung den Eigentümern natürlich Angst, am Ende vielleicht doch alles zu verlieren.

Und obwohl die EG-DU in Hochglanzbroschüren vollmundig verkündete, der Stadtteil dürfe durch die leerstehenden Abrisse nicht verwahrlosen und veröden und man werde deshalb kleinteilige, zeitlich befristete Nutzungen für diese Flächen finden, trat das Gegenteil ein, jeder der derzeit durch den Stadtteil geht, kann sich davon überzeugen. Der Verdacht liegt nahe, dass man es den im „Sanierungsgebiet“ bisher verbliebenen Bewohnern nicht zu gemütlich machen und stattdessen die Bereitschaft fördern möchte, umzuziehen, bzw, das Eigentum an die Stadt zu verkaufen. Wie sehr Menschen dort unter Druck geraten können, zeigt das inzwischen auch überregional bekannte Beispiel von Manfred Hoffmann, dem man Weihnachten 2011 alle Fenster seiner Wohnung mit Pflastersteinen eingeworfen hat. Das Haus, in dem er wohnte, sollte zum 01.01.2012 in den Besitz der Stadt übergehen und die Abrisse in der Heinrichstraße sollten im Januar beginnen, was dann auch geschehen ist. Herr Hoffmann wollte sich unter keinen Umständen in eine ungeeignete Wohnungen drängen lassen, aber sowohl der Bautrupp hat ihm zugesetzt, in dem man ihn quasi umzingelt hatte, den ganzen Tag, über Wochen hinweg mit einem Bagger, der jedes Mal, wenn er rückwärts fuhr mit 98 Dezibel hupte, vor seiner Wohnung herumfuhr und ihm schließlich mit einem Presslufthammer ein Loch in seine Küchenwand schlug. Auch die Fenster wurden Nachts immer wieder eingeschlagen, so dass sich Herr Hoffmann am Ende doch in eine Wohnung in Marxloh drängen lies, die für ihn wenig geeignet ist, er sucht im Moment wieder nach einer neuen Wohnung. Ich werde häufig gefragt, ob ich die Stadt für den Verursacher dieser Übergriffe halte und ich sage dann immer, dass ich nicht glaube, dass Herr Greulich Nachts nach Bruckhausen fährt um dort Fenster zu zerschlagen. Aber die Stadt hat die Verantwortung für all diese Vorkommnisse, genau wie am Zinkhüttenplatz, wo die Bewohner mit Drohbriefen belästigt werden und es immer wieder zu Sachbeschädigungen kommt. Wer sich entscheidet, einen halben Stadtteil leer zu ziehen, muss allermindestens für das Wohl und die Gesundheit der Betroffenen sorgen. Wenn das nicht möglich ist, muss man solche Abrissmaßnahmen eben unterlassen. Im Fall der Siedlung Zinkhüttenplatz hetzt man die Leute geradezu aufeinander, indem man sagt, die Mieter der Siedlung stünden dem „Gemeinwohl“ im Wege. Was für eine vollkommen verdrehte Auffassung von Gemeinwohl ist das? Menschen die harte Arbeit bei Thyssen geleistet haben, die diesen Staat und diese Stadt nach Diktatur und Krieg wieder mit aufgebaut haben, sind jetzt nur noch alte Leute, die einer tollen Investition im Weg stehen mit ihrem sentimentalen Gefühl für Heimat. Als sich die „Initiative für Transparenz“ aus Bruckhausen über die Verwahrlosung des Stadtteils, die fehlende Sicherheit und die Gefahr beschwerte, die von den in den leer gezogenen Häusern liegenden Gasleitungen ausgehen, antwortete die Presseprecherin der Stadt Anja Hundgeburth, sie halte es nicht für nötig, dort besondere Schutzvorkehrungen zu treffen. Dass Kriminelle sich dort Zutritt verschafften, könne selbst bei einer Verbarrikadierung der Häuser nicht ausgeschlossen werden. Im übrigen, so Hundgeburth, gehe die Verantwortung im Moment der Abrissgenehmigung auf den Abrissunternehmer über. Da man sich qualifizierter Unternehmen bediene, sehe sie darin auch kein Risiko.

Die Gutachten zum sogenannten Grüngürtel haben übrigens längst erwiesen, dass der Pufferpark keinerlei immissionsmindernden Effekt haben wird. Die Belastungen sind zudem, erzwungen durch die EU, in den letzten Jahren gesunken. Die Stadt Duisburg spricht deshalb nur noch von einer optischen Trennung von Industrie und Wohnbebauung. Als Lärmquelle, vor der der Stadtteil geschützt werden muss, hat man die Kaiser-Wilhelm-Straße entdeckt. Und ThyssenKrupp möchte lieber gar nicht mehr mit Journalisten sprechen. Die Firma schreibt in einem Brief an den Dachverband der kritischen Aktionäre:

„Wir möchten betonen: der Grüngürtel Duisburg-Nord ist kein Projekt von ThyssenKrupp Steel oder des ThyssenKrupp Konzerns.(…) Thyssen-Krupp Steel Europe hatte sich bereit erklärt, für diesen aus kommunaler Sicht höchst sinnvollen Grüngürtel, der von der EU und dem Land NRW unterstützt wird, den kommunalen Beitrag über einen Spende zu übernehmen, da die Stadt Duisburg dem Haushaltsicherungskonzept unterliegt und die Finanzierung nicht alleine leisten konnte.“

Ein Sprecher der Stadt sprach in einem kürzlich gesendeten Radiobeitrag davon, dass TKS ja seine Hauptverwaltung gleich nebenan in Bruckhausen habe, das sei ja sozusagen der Vorgarten von Thyssen-Krupp Steel und der mache ja nicht unbedingt einen ansehnlichen Eindruck. Wieviel Menschenverachtung steckt in solch einem Satz? Die Menschen in Bruckhausen verlieren ihre Heimat und oftmals ihr Eigentum, sie werden unerhörten Belastungen ausgesetzt. Für eine Vorhofsanierung?

Dabei zeigt das Sanierungskonzept von 2003/ 2004 das man alles auch ganz anders hätte machen können. Wäre der 19 Meter hohe Immisionsschutzwall auf dem Gelände von Thyssen-Krupp errichtet worden und hätte man die Sanierung der Häuser in Bruckhausen mit einer auf den Stadtteil zugeschnittenen Förderung betrieben, gäbe es heute wesentlich weniger unglückliche Menschen in Duisburg. Und einen lebenswerten kleinen gründerzeitlichen Stadtteil, an dem man einen hochinteressanten Teil der Ruhrgebietsgeschichte ablesen könnte. Natürlich hätten dann immer noch Menschen vor den Werkstoren gewohnt, wie seit mehr als hundert Jahren. Vielleicht hätte es auch einfach gereicht, nichts zu tun. Ob das den Standort von TKS in Gefahr gebracht hätte? Ende August ging die Nachricht durch den Blätterwald, dass TKS die Sparte Tailored Blanks an die Chinesen verkauft habe…

Die „Spende“ von insgesamt über 35 Mio Euro hat TKS der Stadt Duisburg schon vor dem Ratsbeschluss zur Sanierung am 17.10.2007 überwiesen. In der Beschlussvorlage für den Rat wird darauf hingewiesen.

Wir sind die Stadt, trotz allem immer noch. Das heißt aber auch, dass Nichtwählen nicht reicht. Bürger haben Verantwortung für ihre Stadt und wir können hier nur selbst etwas ändern, es gibt weit und breit keine Partei und keine Lobby, die es für uns tun würde. Das erfordert viel Kraft und viel Solidarität. Gerechtigkeit macht nicht an Stadtteilgrenzen halt. Ich kann den Satz „Da kann man ja doch nichts machen“ wirklich nicht mehr hören. Nur wer etwas tut, kann auch etwas erreichen. Und da sind wir bei dem gern zitierten Satz: Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren. Am besten kämpfen wir gemeinsam.

 

Fotos: © Katrin Susanne Gems