Ist das Ruhrgebiet und damit auch Duisburg schon abgehängt und aufgegeben?
Bei dieser Frage geht es vor allem um das Thema, ob es sich beim Ruhrgebiet und seinen 53 Städten und Kommunen um eine Zukunftsregion zum Leben und Arbeiten handelt. Das Ruhrgebiet steht deshalb besonders im Fokus, weil hier sehr bedeutende Industrien und Wirtschaftszweige nach und nach verschwinden und „neue“ noch nicht sichtbar sind.
Derzeit liegt über dem Ruhrgebiet und damit auch über Duisburg, das sich am Kreuzpunkt von Ruhrgebiet und Rheinland befindet und noch nicht weiß wohin es gehört – oder sogar was Eigenes darstellt, eine Art Mehltau und Stillstand – ohne jede bemerkbare Aufbruchstimmung.
Es ist ein „anderes Ruhrgebiet und Duisburg“ nötig, mit Zukunftsindustrien, -handel und -handwerk. Noch herrscht vielfach Stillstand und herbeigeredeter Zweckoptimismus. Doch ein „weiter so“ wird nicht mehr reichen. Und echte Zukunftsarbeitsplätze müssen her.
Das Ruhrgebiet zwischen Dortmund und Duisburg ist im Niedergang begriffen, gekennzeichnet u.a. durch fehlende Jobs und Abwanderung in Zukunftsindustrie-Regionen im Süden Deutschlands, durch sinkende Kaufkraft, hohe Migrationsdichte und Miss-Integration was Ghettoisierung, NoGoAreas, politische Radikalisierung und steigende Kriminalität zur Folge hat.
Es gibt keine Ruhrgebietsstadt von wirklich überzeugender und überregionaler Bedeutung. Und es gibt keine Stadt, die eine klare Bedeutung innerhalb des Ruhrgebiets hat – vielleicht Essen als Einkaufsstadt, aber auch das wird von Essen selbst zunehmend und ganz aktuell in Frage gestellt. Vier Städte gelten als „rettbar“, das sind Dortmund, Essen, Duisburg, Bochum.
Die anderen Städte verlieren an diese vier Städte oder an den Süden (Rheinland, Rhein-Main, Bayern, BW).
Die Idee der Metropole Ruhr ging und geht bisher nicht auf, ein Rohrkerpierer, vor allem wegen der “Kleinstädterei”, dagegen gewinnt die Idee “RheinRuhr” wieder an Bedeutung, z.B. durch den geplanten Rhein-Ruhr-Express, was aber eher dem Rheinland Aufmerksamkeit, Arbeitnehmer, Neuansiedlungen und Einwohner zuführen wird. Wachsende Metropolen sind Düsseldorf und Köln. Bonn wird auch profitieren, auch wegen seiner Vorgeschichte als ehemalige Hauptstadt und der Nähe zum Flughafen Köln/Bonn. Die Wohn-Konzentration in allen Ruhrgebiets-Innenstädten wird zunehmen, auch weil der Leerstand die Immobilieneigentümer zum Umdenken zwingen wird. Es sei denn mit Leerstand kann man Steuern sparen.
Das Ruhrgebiet konnte die Lücken industrieller Abwanderung bisher nicht wettmachen. Niemand kommt und bleibt allein wegen kultureller Angebote und klassische Industrie und Handel als primäre Wirtschaftsstandort-Faktoren „ziehen“ nicht mehr. Wichtiger sind zukunfsträchtige Unternehmen und Startups aus neuen Industriezweigen mit ihren Zulieferern und Dienstleistern. Diese sind aber in zu geringer Zahl vorhanden. Die Städte selbst sind auch wenig attraktiv, da sie nicht viel außergewöhnliches anzubieten haben: kein Design, keine Kunst & Kultur, keine Architektur usw.
Die Laden-Leerstandszahlen in den Ruhr-Städten sind jetzt schon äußerst hoch und werden weiter ansteigen. Nur echte 1A-Lagen sind noch an den Einzelhandel vermietbar. Wie bereits oben angedeutet sind die vier Städte, denen im Ruhrgebiet noch etwas zugetraut wird, Essen und Dortmund, vielleicht noch Duisburg und eventuell auch noch Bochum.
Der Filialisierungsgrad in den Innenstädten(Cities) hat teilweise schon 70% und mehr erreicht. Tendenz weiter steigend. Das macht die Innenstädte uniform und austauschbar. Selbst in Einkaufszentren, die als gut gemanaged gelten, weil i.d.R. alle an einem Strang ziehen (Öffnungszeiten, Parkplätze etc.), gibt es Mieter, die weit unter üblichen Konditionen anmieten (können), teils keine Nebenkosten zahlen oder nur Pauschalen. Die 30% selbständigen Einzelhändler ohne Filial- oder Franchiseanbindung zahlen dort die Zechen.
Viele große Magnet-Filialisten können die Vermieter inzwischen fast “nötigen”, auch mit dem Argument, dann lieber gar nicht anzumieten, weil online eh besser ist. Oder man erhält großzügige Wirtschaftsförderung bei nur geringen Gegenzusagen – “Hauptsache es bewegt sich was.” – Nachhaltigkeit (z.B. Dauer-Vollzeitarbeitsplätze) bleibt meist äußerst zweifelhaft.
Werbegemeinschaften und City-Marketing-Verbünde dünnen zunehmend aus. Filialisten sind so gut wie nie “echte” Mitglieder oder wenn, zahlen Sie niemals die ihrer Größe entsprechenden Mitgliedsbeiträge.
Werbe-Aktionen in den Cities verkommen oft zu bemitleidenswerten Versuchen Kunden anzulocken oder sind nur ein Mischmasch von billigem Geplänkel – hier ein Snack, da ein Bier und noch ein wenig Haut. Hier mal ein Weinfest, da mal eine Modenschau, aber alles eher stümperhaft und ohne erkennbare Linie geschweige denn Stadtmarketing. Grund: Kein Geld, keine Bereitschaft zur Investition oder zum Mitmachen – Anzeichen der Selbstaufgabe und des Durchwurschtelns.
Internet und Digitalisierung machen dem stationären Handel schwer zu schaffen und verhindern oftmals Neuansiedlungen, da sich diese nicht mehr lohnen. Investionen in MultiChannel-Strategien (off- und online) können wegen fehlender Umsätze und Renditen nicht getätigt werden. Viele kleine und mittlere Händler haben noch nicht einmal eine funktionierende, verkaufende Webseite, geschweige denn eine smartphone-taugliche – neudeutsch: responsive.
Familiäre Geschäftsnachfolger finden sich oft nicht. Diese eröffnen lieber Online-Shops oder machen ganz was anderes.
Echter Kundenservice ist im klassischen Einzelhandel wenig bis gar nicht ausgeprägt, es überwiegt meistens die preisliche Verramschung bis nichts mehr geht. Sales mit 70/80/90% Nachlaß sind keine Seltenheit.
Die 1A-Lagen in Nebenzentren wie Oberhausen, Mülheim, Gelsenkirchen, usw. verkommen oft zu einem Sammelsurium von Billigläden, Selbstbackläden, Handyshops usw., ev. Frachisenehmer wechseln wie die Staffeln beim 4x100m-Lauf.
Die Idee der Dienstleistungszukunft ist zweischneidig. Meint man damit die B2B-Dienstleister, so brauchen diese moderne industrielle Auftraggeber, nicht zuletzt aus der Stadt oder Region selbst.
B2C-Dienstleister brauchen dagegen eine entsprechend kaufkräftige Endverbraucher-Kundschaft. Diese ist jedoch im Ruhrgebiet nicht vorhanden. Menschen, die abwandern, sind meist auch die besser Gebildeten und besser Verdienenden. Ein Teufelskreis.
Lösungsideen:
1. Ende von Kleinstädterei und Kirchtumdenken mit 53 Wirtschaftsförderungen, Konzentration auf eine zentrale Wirtschaftsförderung. Sonst wird weiter eher gegeneinander als miteinander gearbeitet.
2. Vermarktung jeder einzelnen Stadt mit einem einzigartigen, fokussierten (Verkaufs)versprechen (USP).
3. Technologieförderung: HighSpeed-Netz, E-Mobility und ÖPNV, neue Formen der Waren-Logistik(Untergrund- oder Schwebebahn), Bildungsförderung (besonders MINT)
Ein USP, also ein klar eindeutiges Versprechen was eine Stadt zu bieten hat, soll nicht einschließen, daß in dieser Stadt alles andere “abgeschafft” werden soll, aber der Fokus der Förderung soll sich jeweils auf eine Hauptthema konzentrieren. Sonst sieht`s düster aus.
Der klassische Einzelhandel z.B. der wie bisher nach dem Motto „Laden auf – Kunde kauf“ agiert, wird es in keiner Stadt noch schaffen. Diese Zeiten sind endgültig vorbei. Ebenso die Zeiten alter Industrien die die rechtzeitige Digitalisierung verschlafen haben.
Man wird – so meine persönlichen Erfahrungen- das Kirchturmdenken nicht ganz aus den Stadtspitzen „rauskriegen“. Im Prinzip ist die „egozentrische Stadtdenke“ auch gar nicht so schlecht, wenn sie zur Stärke führt: all business is local. Und es gilt jeweils die örtliche Stärke herauszuarbeiten. Der klassische Einzelhandel wird es in den wenigsten Fällen sein, wie bereits oben angedeutet, nur Essen traue ich das überhaupt noch zu.
Durch dieses Stadt-Marketing gäbe es bei Ansiedlungsanfragen kein Gezänk unter den Städten, weil klar ist, wo für Neuan- und Umsiedlungen an der Ruhr der beste Standort ist.
Das Problem des zerstrittenen jetzigen ÖPNV wird sich eventuell von selbst erledigen. Er wird Konkurrenz bekommen durch Carsharing, wahrscheinlich auch durch ganz neue Betreiber wie Uber oder auch vielleicht Amazon, warum nicht Fernbusse auch regional/lokal einsetzen auf sogenannten Hauptrouten (Dortmund-Köln).
Manche Stadt könnte in der City zur reinen Wohnstadt werden, wenn sich kein Wirtschaftsthema findet, was stark genug ist die City anziehend zu machen. Nur der nötigste Einzelhandel ist dann vorhanden. Der Rest erfolgt über Lieferdienste, die ja schon da sind: z.B. per Taxi, die könnten Menschen und Waren transportieren.
Überlegen Sie mal, wie oft heute schon Taxen rumstehen und Leerfahrten machen. Optimale Dispatcher-Software könnte Abhilfe schaffen. Machen die Taxen das nicht mit, wird es ein anderer machen. So wie in allen anderen „Problemfällen“ auch.
Das Ruhrgebiet hat nämlich auch entscheidende Vorteile, die aber nicht wirklich vermarktet werden. Die Konzentration von vielen auf wenig Raum. Das macht eine Belieferung zwar schwierig (Stau), aber auch sehr interessant.
Jeder Händler, der liefert, kann ja rechnen: Ist es besser, 5 Mio. Menschen auf dem Land in einem riesigem Gebiet ohne Staus zu beliefern oder andersherum?
Und beachten Sie, dass hier nicht von den jetzigen Liefertechniken ausgegangen werden sollte. Vorstellbar wären ganz neue Arten der Belieferung oder wohnnahe Abholstellen.
Zum Schluß noch etwas zu Duisburg. Frage: Wozu haben wir denn in Duisburg eine so gute Lage an gleich zwei Flüssen, einer Nord-Süd und einer West-Ost verlaufend? Und sind wir nicht stark in der Logistik? Warum eigentlich nicht in der Heimbelieferungslogistik?
Fazit:
Wird weiter derart gewurschtelt wie in den letzten 30 Jahren, bleiben weiterhin unfähige Politiker am Ruder und sorgen lediglich dafür ihr Pfründe zu sichern sowie für ebenso unfähige Lakaien Pöstchen zu besorgen und zu sichern, wird das Ruhrgebiet gnadenlos „den Bach abgehen“. Eine Zukunftsregion wird so jedenfalls nicht entstehen.
Manchmal kann ich mich deshalb auch des Eindrucks nicht erwehren, dass es so gewollt ist und dass es unvermeidlich ist. Trifft doch die jeweils kleine Clique an den jeweiligen Stadtspitzen auf eine inzwischen erlahmte und ausgezehrte sowie unpolitische Masse an Bürgerinnen und Bürgern, die sich nicht mehr wehren können oder wollen, weil sie aufgeben haben und aufgrund des Niedergangs an allen Ecken vielmehr mit sich beschäftigt sind, um ihr eigenes Leben in den Griff zu bekommen.
Leider entsteht gerade deshalb der Nährboden für radikales Gedankengut. Einige wenige im Ruhrgebiet und ihr Gefolge leben dagegen recht gut auch im Niedergang. Verwaltungsstellen, Posten bei Eigenbetrieben und Stadttöchtern, sowie Subventionen, Fördertöpfe und ähnliches sorgen für ein gutes Aus- und Einkommen. Auch gibt es hier und da noch schöne Fleckchen die man entweder gewinnbringend verscherbeln kann und damit Investoren beglückt oder man selbst wohnt im schönsten Grün am See, während viele andere es sich neben Lagerhallen, Industriebrachen, Problem- und Schrottimmobilien gemütlich machen müssen.
Autor: Michael Schulze
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