In der letzten Woche hatte ich einen offenen Brief an den CDU-Generalsekretär Dr. Carsten Linnemann geschickt und zeitgleich auch hier veröffentlicht. Anlaß waren seine erneuten öffentlich geäusserten Forderungen in Bezug auf erhebliche Leistungskürzungen für BürgergeldempfängerInnen.
Darauf hatte recht zügig, bereits in der letzten Woche, die Hauptabteilung Bürgerkommunikation der CDU-Zentrale in Berlin reagiert, Linnemann selbst allerdings bis jetzt nicht.
Hier in zeitlicher Abfolge erst nochmals mein offener Brief, dann die CDU-Reaktion darauf und zum Schuß meine Rückantwort von heute Mittag.
Guten Abend Herr Dr. Linnemann,
ich schreibe Sie an aufgrund Ihrer erneuten öffentlich gemachten Forderungen zur Streichung des Bürgergelds. Schon vor wenigen Wochen hatten Sie dies u.a. in der Sendung von Markus Lanz getan.
Auszug / Zitat aus der Sendung:
Linnemann: […] Wir haben jetzt einen neuen Ansatz, dass wir sagen: Der Staat geht davon aus, wenn jemand, der arbeiten kann, auch arbeiten geht. Und deswegen gibt es keine Sozialleistungen.
Lanz: Nur, dass wir das noch einmal verstehen. Dann kriegt der kein Geld mehr. Finito. Gar nichts.
Linnemann: Ja. Wenn jemand arbeiten kann, warum soll der dann Geld bekommen? Von jemanden, der Arbeiten geht?
Lanz: Ich sag nur – Der geht nicht arbeiten, der will nicht arbeiten, der macht das nicht. Und wo lebt der dann? Was macht der?
Linnemann: Der wird dann arbeiten gehen, weil er es muss. […] Das ist für mich so normal, als ob nach Sonntag Montag kommt. Tut mir leid, wenn ich das jetzt so platt sage. […]
Lanz: Ok. Wie groß ist jetzt das Potential, das sie dort sehen?
Linnemann: Sehr hoch!
Lanz: Wie viele Milliarden?
Linnemann: Das ist natürlich jetzt schwierig. Aber es werden … äh, äh …
<Ende des Zitats>
Ich bin ja prinzipiell damit einverstanden Überlegungen anzustellen wie Menschen die arbeiten könn(t)en auch dazu bewegt werden.
Nur sollte der dahinter stehende Grundgedanke und Grundsatz auch für alle gelten.
Mit fallen auf Anhieb eine Menge Leute ein, die Staatsgeld bekommen, ohne zu arbeiten.
Oder Leute und auch Unternehmen die Geld vom Staat bekommen (oder Steuern nicht zahlen müssen) obwohl sie es eigentlich nicht benötigen.
Just dieser Tage gibt es dazu zwei passende Meldungen:
https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/vermoegen-in-deutschland-warum-sich-bei-familienunternehmen-so-viel-reichtum-ballt-a-a2d62bdf-2354-4427-90b1-a18340d466af
https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/dax-konzerne-erhalten-milliarden-subventionen-ist-das-noetig-19885777.html
Bei Lanz wurden die in den beiden Berichten enthaltenen Aspekte leider ausgeklammert, ebenso auch bei Ihren neuesten Äusserungen.
Kann es ein, dass es mit einer gewissen Lobby zu tun hat, die BürgergeldempfängerInnen nicht haben, wohl aber „gutverdienende“ UnternehmerInnen und Unternehmen?
Kann es sein, dass es unter den Letztgenannten FördererInnen der CDU gibt?
Oder gibt es sonst einen oder mehrere nachvollziebare Gründe, warum Sie eine höhere Besteuerung von Vermögenden und/oder die Kappungen von Subventionen wo diese nicht angebracht sind, ständig ausklammern und sich nur auf die BürgergeldempfängerInnen kaprizieren?
Ich war selbst lange Unternehmer, auch im Ausland, mir ist es nie in den Sinn gekommen mich an Schwächeren abzuarbeiten und diese womöglich zu Sündenböcken zu machen.
Ja, es gibt sog. faule Menschen. Wobei man trefflich darüber streiten könnte ob „faul“ der richtige und passende Begriff ist. Ebenso wie der Begriff „arbeiten“ mal geklärt gehört. Ist politisch tätig sein eigentlich Arbeit? Ist Fußball spielen eigentlich Arbeit? Ist das Verwalten von geerbtem Vermögen und Großgrundbesitz eigentlich Arbeit?
Und es gibt Menschen die sich auf Kosten anderer bereichern. Aber ich kann beim besten Willen nicht erkennen warum ich diese und die vorgenannten Faulen nur am untersten Ende der Lebenserfolgsleiter verorten sollte.
In Erwartung irgendeiner sinnstiftenden Reaktion verbleibe ich
mit freundlichem Gruß
Michael Schulze
Hier die Reaktion der CDU vom letzten Freitag:
Sehr geehrter Herr Schulze,
vielen Dank für Ihre E-Mail vom 31. Juli an die CDU Deutschlands.
Uns ist bewusst, dass unter den Bürgergeldempfängerinnen und -empfängern viele Menschen sind, die aus unterschiedlichen Gründen nicht arbeiten können. Diesen Menschen muss man helfen und sie unterstützen. Das wollen und werden wir tun. Wie unser Generalsekretär bereits betont, haben wir in Deutschland das beste Sozialsystem der Welt. Daran halten wir fest.
Gleichzeitig muss aber klar sein: Wer arbeiten kann, muss auch arbeiten. Wer nicht arbeiten möchte, muss nicht arbeiten. Er kann aber auch nicht erwarten, dass diejenigen für ihn mitfinanzieren, die Tag für Tag mit ihrer Arbeit und ihren Steuerzahlungen unser Land am Laufen halten. Wenn Sie mögen, schauen Sie gerne in unser Konzept zur Neuen Grundsicherung. Sie finden unser Papier ganz unten auf der Seite verlinkt.
Natürlich ist die Abschaffung des Bürgergeldes nur eine Facette für eine politischen Kehrtwende. Deutschland braucht eine Wachstumsagenda mit einer attraktiven Unternehmensteuer, schnelleren Planungs- und Genehmigungsverfahren, weniger Bürokratie und Regulierung sowie mehr Zukunftsinvestitionen. Unser Ansatz in der Vermögenspolitik ist es dabei, Menschen zu unterstützen, sich ein eigenes Vermögen aufzubauen.
„Wohlstand für alle“ im 21. Jahrhundert heißt für uns: Vermögensaufbau für alle Menschen attraktiv gestalten – unabhängig von Beschäftigungsverhältnis und Einkommen. Dazu ist es wichtig, Abgaben zu reduzieren, die Mitarbeiterkapitalbeteiligung zu verbessern sowie das Sparen, die Altersvorsorge und den Wohneigentumserwerb zu fördern. Dabei gilt auch, wer mehr leistet, muss sich mehr leisten können. Wir werden kleine und mittlere Einkommen entlasten und arbeitende Rentner steuerlich besserstellen. Niedrigere Steuern und Beiträge sorgen für höhere Löhne, mehr Jobs und stärkerem Wachstum. Dies ist Teil unserer Agenda für die Fleißigen.
Herzliche Grüße aus dem Konrad-Adenauer-Haus nach Duisburg
XXX
Abteilungsleiter Bürgerkommunikation
Hauptabteilung
Politik und Programm
CDU Deutschlands
Berlin
Darauf meine Reaktion von heute:
Sehr geehrter Herr XXX,
vielen Dank auf Ihre Antwort bzw. Reaktion auf meinen offenen Brief an Herrn Dr. Linnemann. Es hätte mich natürlich gefreut Herr Dr. Linnemann hätte höchstselbst geantwortet.
Ich stimme Ihnen prinzipiell zu, dass Deutschland eine Wachstumsagenda dringend benötigt, allerdings würde ich ergänzend auch einen grundsätzlichen Systemwechsel begrüssen. Auch bedarf es deutlich schnellerer Genemigungsverfahren und generell der Abschaffung der ausufernden Bürokratie um ganz speziell Firmenneustarts nicht unnötig zu erschweren. Alles d’accord.
Nur Ihrem „Ansatz in der Vermögenspolitik“ muss ich widersprechen. Hier sehe ich nachwievor, dass Subventionen bezahlt werden, a) an Unternehmen die diese gar nicht benötigen und b) an Unternehmen die dann doch ihre Betriebe schließen oder massiv Personal abbauen. Das wird ev. in wenigen Tagen in Duisburg mit ThyssenKrupp Steel Wirklichkeit werden.
Ferner bleibt auch die Frage zur höheren Besteuerung von Vermögenden Ihrerseits vollkommen unbeantwortet. Hier könnte der Staat doch tatsächlich deutlich höhere Steuern generieren. Und das Argument, dass diese Vermögenden sich ins Ausland „absetzen“ ist doch flächendeckend unbewiesen. Darauf sollte man es tatsächlich mal ankommen lassen und/oder steuerrechtlich darauf entsprechend reagieren. Es sollte eine größere Umschichtung erfolgen (höhere Besteuerung von Vermögen und niedrigere von Arbeit) und es sollte auf keinen Fall bei denen, die Monat für Monat schauen wie Sie jeden Tag finanziell meistern, noch Geld gekürzt werden.
Ich könnte die Liste jetzt unendlich verlängern und Ihnen zusätzlich auflisten wie der Staat deutlich Geld einsparen könnte, ohne Sozialleistungen zu kürzen.
Ganz klein angefangen bei den Stylingkosten für Regierungsmitglieder, bei Kurzflügen mit Regierungsmaschinen innerhalb des Landes nach Länderspielen, bei üppigen Bezügen nach dem politischen Ausscheiden usw. usf.
Und noch eine Frage: Wie hoch ist der Betrag den der Staat jährlich durch aggressive Steuervermeidung „verliert“ gegenüber dem Betrag der an „arbeitsunwillige“ BürgergeldbezieherInnen gezahlt wird, wobei letzterer sogar wieder in der Wirtschaftskreislauf zurückfliesst?
Ach ja, und die Mietzuschüsse für TransfergeldempfängerInnen müssten lange nicht so hoch sein, wenn es viel mehr günstige Wohnungen gäbe. Wohnungen die teils auch im Besitz von Vermögenden sind, die wiederum zu geringe Steuern zahlen … …
Diese Vemögenden selbst sagen sogar teils öffentlich, was ev. auch einer Art Anbiederung geschuldet sein könnte, dass es sich bei Ihnen nicht unbedingt um LeistungsträgerInnen handelt: https://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/monitor-reichtum-verpflichtet-110.html
Mit dem Systemwechsel -ganz oben in meinem Text- meine ich mitnichten eine Abkehr vom politischen System, sondern von den grundsätzlichen Betrachtungen von Leistung, Arbeit, Engagement usw. Das könnte sich z.B. deutlich schon allein bei der Behandlung von Frauen niederschlagen. Die sog. Care-Arbeit, eine wesentliche Grundlage unsere Gemeinwesens, wurde und wird grösstenteils von ihnen erbracht. Trotzdem sind die meisten in Altersarmut leider Frauen.
Von einer Gleichbehandlung (und -bewertung) sind wir auch in Deutschland also noch meilenweit entfernt.
Ähnliches gilt z.B. für ÄrztInnen die sich einer eher schlecht dotierten Aufgabe in Armutsländern widmen anstatt in Deutschland Karriere zu machen.
Daneben werden z.B. Fussballer fast zu Nationalhelden „gemacht“, man lässt sich als PolitikerIn gerne im Stadion blicken und mit ihnen ablichten, aber niemand wird mir wahrscheinlich eine Zahl an Fotos schicken können die PolitikernInnen zeigen die in einer notdürftigen Zeltklinik in Afrika die Fäkalientonnen leeren.
Und schlußendlich, da es sich bei der CDU ja um eine christlich geprägte Partei handelt, akzeptiere ich nicht wieso die Kirchen in Deutschland weiter so viel Geld anhäufen können, sich als gewöhnliche Geschäftsleute (Vermögende) verdingen und andererseits schlimmste Verbrechen vertuschen. Wozu aus der Politik, inkl der CDU, nie viel gesagt wird.
Meiner Meinung nach stimmt, um es salopp zu sagen, vorne und hinten nicht mehr viel. Und leider trägt m.E. die CDU mehr dazu bei, dass es so weitergeht und nicht dass es sich bessert.
Mit freundlichen Grüßen
DUISTOP
www.duistop.de
Michael Schulze
Nachtrag:
Ich hätte noch fragen sollen wie die CDU es denn mit den Straftaten in bezug auf CUM-EX hält und was sie zu den Verschwendungen von Andreas Scheuer (Ex-Bundesverkehrsminister von der CSU-Schwester) in Sachen Maut-Debakel sowie von Jens Spahn (Ex-Bundesgesundheitsminister) in Sachen Masken-Debakel zu sagen hat.
Nicht zu vergessen, wie leicht es wäre, wenn man denn die Zahl der BetriebsprüferInnen erhöhen würde, die Einnahmen der Finanzämter signifikant Jahr für Jahr zu steigern.