Vor allem im Internet gibt es seit der kürzlich annullierten Wahl in Rumänien, immerhin EU-Mitglied, diverse Meinungen und Spekulationen darüber, ob ein solcher Vorgang sich auch bei uns abspielen könnte.
Teils wird munter spekuliert, wohl ohne mal genauer nachgefragt zu haben.
Das habe ich gemacht und am Wochenende der Bundeswahlleiterin einige Fragen dazu gestellt. Heute kam bereits die Antwort.
Vorab nochmals meine Fragen, darunter das Schreiben aus Berlin.
Guten Abend Frau Dr. Brand,
im Zusammenhang mit den letzten (kürzlichen) Wahl in Rumänien gab es eine Annulierungsentscheidung der dortigen Wahl bzw. des Wahlergebnisses. U.a. aufgrund angeblicher Einflussnahme(n) und dies mit bezug auf den Digital Services Act der EU (DSA).
Quelle zum DSA bei der EU(deutsch):
https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_24_1707
Ich gehe davon aus, auch die anstehende Bundestagswahl unterliegt einer entsprechenden Beobachtung und Beurteilung gemäß des DSA, in diesem Falle durch die Bundesnetzagentur als hiesige, in Deutschland Bevollmächtigte für die DSA-Umsetzung und -Anwendung.
Meine Fragen:
1. ) Ist dies korrekt, unterliegt die Bundestagswahl dem DSA und der Beobachtung und Beurteilung durch die Bundesnetzagentur (BNA)?
2. ) Kann also die BNA die Wahl annulieren bzw. für ungültig erklären?
3. ) Muss in dem Fall das Verfassungsgericht noch zustimmen um danach Neuwahlen bzw. eine Wahlwiederholung anzusetzen?
4. ) Muss die BNA ihre Vorgehensweisen (inkl. Beteiligte) und ihre Gründe komplett und transparent offenlegen?
5. ) Sind Sie auf dieses Szenario bereits eingestellt und vorbereitet und auch dafür gewappnet, dass u.U. eine Wahl mehrfach wiederholt werden muss, wenn andauernd Beeinflussungen/Einflussnahmen konstatiert würden?
6. ) Wie trennt Ihrer Kenntnis nach die BNA mögliche unerlaubte/unerwünschte Einflussnahme(n) von „normaler“ digitaler Wahlwerbung, die ja auch massiv und in differenziertesten bis subversivsten Formen erfolgen kann?
Mit freundlichem Gruß
DUISTOP
www.duistop.de
Stadtmagazin für Duisburg seit 2018
Michael Schulze
Hier die Antwort:
Sehr geehrter Herr Schulze,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (Bundesnetzagentur) ist gemäß § 12 Absatz 1 des Digitale-Dienste-Gesetzes (vorbehaltlich der Absätze 2 und 3) zuständige Behörde nach Artikel 49 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/2065. Zur Durchsetzung und Überwachung der Verordnung (EU) 2022/2065 wird gemäß § 14 Absatz 1 des Digitale-Dienste-Gesetzes eine Koordinierungsstelle für digitale Dienste in der Bundesnetzagentur mit Sitz in Bonn eingerichtet. Die Koordinierungsstelle für digitale Dienste legt gemäß § 17 Absatz 1 des Digitale-Dienste-Gesetzes den nach Artikel 55 der Verordnung (EU) 2022/2065 jährlich zu erstellenden Tätigkeitsbericht den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes vor.
In der Pressemitteilung der Europäischen Kommission wird zu der Rolle des DSA im Kontext der Wahl u. a. wie folgt ausgeführt: (https://germany.representation.ec.europa.eu/news/wahlen-rumanien-eu-kommission-online-plattformen-und-zivilgesellschaft-verstarken-uberwachung-von-2024-12-05_de)
„Im Zusammenhang mit den laufenden Wahlen in Rumänien hat die EU-Kommission ihre Überwachung von TikTok im Rahmen des Gesetzes über digitale Dienste (DSA) verstärkt. Dies bezieht sich auf die Ausübung der Zuständigkeiten der Kommission im Rahmen des DSA und betrifft nicht den rumänischen Wahlprozess, der Sache der rumänischen Behörden und letztlich der rumänischen Bevölkerung ist.“
Wie hierin erläutert wird, berühren die im DSA festgelegten Zuständigkeiten nicht unmittelbar das nach den wahlrechtlichen Vorschriften vorgesehene Wahlverfahren. Die Entscheidung über die Gültigkeit der Wahl ist in Deutschland allein Sache des Deutschen Bundestages und ggf. des Bundesverfassungsgerichts:
Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen, können gemäß § 49 Bundeswahlgesetz nur mit den in diesem Gesetz und in der Bundeswahlordnung vorgesehenen Rechtsbehelfen sowie im Wahlprüfungsverfahren angefochten werden. Über die Gültigkeit der Wahlen zum Bundestag und die Verletzung von Rechten bei der Vorbereitung oder Durchführung der Wahl, soweit sie der Wahlprüfung nach Artikel 41 des Grundgesetzes unterliegen, entscheidet gemäß § 1 Absatz 1 Wahlprüfungsgesetz der Deutsche Bundestag.
Dies bedeutet, dass das Parlament zunächst selbst über die Gültigkeit der Wahlen zum Deutschen Bundestag entscheidet. Das Verfahren der Wahlprüfung ist im Wahlprüfungsgesetz geregelt. Eine Prüfung erfolgt nur auf Einspruch, der Deutsche Bundestag wird also nicht von sich aus tätig.
Einen Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl einlegen kann gemäß § 2 Wahlprüfungsgesetz jeder Wahlberechtigte, jede Gruppe von Wahlberechtigten und in amtlicher Eigenschaft jeder Landeswahlleiter oder Landeswahlleiterin, die Bundeswahlleiterin oder die Präsidentin des Deutschen Bundestages.
Gegen die Entscheidung des Deutschen Bundestages über die Gültigkeit der Wahl ist die Beschwerde an das Bundesverfassungsgericht zulässig (Art. 41 Abs. 2 GG).
Wir hoffen, dass wir Ihnen mit diesen Ausführungen weiterhelfen konnten.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Team der Pressestelle der Bundeswahlleiterin
Schlußbemerkung bzw. -frage:
Warum antwortet mir eigentlich die Bundeswahlleiterin binnen drei Tagen und die Bezirksbürgermeisterin Beate Lieske (SPD) – allerdings in anderer Angelegenheit – überhaupt nicht?