Geschichte und Zukunft

Duisburg ist einer der ältesten Orte Deutschlands. Es verdankt seine Entstehung vor rund 2000 Jahren seiner verkehrsgünstigen Lage an Rhein und Ruhr und am Ausgang des Hellwegs, der alten Handelsstraße nach Osten. Der Name bedeutet Burg am Rande des Wassers. Diese frühe Burg auf dem heutigen Burgplatz und die Altstadt lagen ehemals am Zusammenfluss beider Flüsse(Abb. 1 u. 5). Die mittelalterliche Altstadt erstreckte sich am Ufer des Rheines, in dessen Bett heute der Innenhafen liegt. Die Ruhr floss im großen Bogen vor dem Stapeltor, in den Rhein. Sein Name weist auf den Hafen mit dem Warenstapel hin. Pulverweg und Philosophenweg folgen dem Lauf der ehemaligen Ruhr, deren Bett noch deutlich zu erkennen ist.


Abb. 1-4 (zum Vergrössern mit der Maus übers Bild "gehen")

Immer wieder verlagerten Rhein und Ruhr ihren Lauf und wurden so bestimmend für das Schicksal der Stadt. Römer, Franken, friesische Kaufleute, Wikinger und viele andere haben Duisburg aufgesucht, hier verweilt oder sich niedergelassen. Das Duisburger Rathaus auf dem Burgplatz mit dem Sitz des Oberbürgermeisters steht in einer fast 2000jährigen Herrschaftstradition. Schon In römischer Zeit befanden sich auf diesem zentralen Platz, damals über dem Rheinufer gelegen, repräsentative Steingebäude. Im 5. Jahrhundert war hier der Sitz des ersten namentlich bekannten fränkischen Königs Chlodio, dessen Geschlecht das Merowingerreich begründete. Es trat die Nachfolge Roms nördlich der Alpen an. Ihm folgten ein karolingischer Königshof und eine Burg (Pfalz) der Stadtherren, der deutschen Könige des Mittelalters, die später als Rathaus genutzt wurde. Nach ihr ist der Burgplatz benannt.

Die königlichen Stadtherren befestigten Duisburg schon im 10. Jahrhundert mit Wall und Graben und am Anfang des 12. Jahrhunderts mit einer steinernen Stadtmauer. Sie war für viele Jahrhunderte das Symbol für die Stadtherrlichkeit und Stadtfreiheit und der Stolz ihrer Bürger. Aus diesem Grunde ziert die Stadtmauer das Duisburger Stadtwappen. Zum Ende des 2.Weltkrieges war sie noch zu rund 80% erhalten. Obwohl durch eine kurzsichtige Stadtpolitik nach dem Kriege fast 60% der Stadtmauer beseitigt wurden, ist sie immer noch die älteste so gut erhaltene mittelalterliche Stadtmauer im ganzen deutschen Sprachraum. Leider ist die Stadtmauer in jüngster Zeit durch eine zerstörerische Sanierung in ihrer Substanz schwer geschädigt worden.


Abb. 5 und 6 (zum Vergrössern mit der Maus übers Bild "gehen")

Aus Duisburg stammen die frühesten Funde zur mittelalterlichen Schifffahrt in ganz Nordwesteuropa. Sie gehören ins 9.-10. Jahrhundert und setzen sich bis in das 14. Jahrhundert fort. Schon damals war Duisburg als königlicher Marktplatz der wichtigste Handels- und Hafenort am unteren Niederrhein mit weit reichenden Verbindungen zu Wasser und zu Lande. Der Hafen der mittelalterlichen Stadt lag damals an der alten Rheinfront und an der Ruhrmündung, wo sich heute der Innenhafen befindet (Abb. 5).

Nach Verlust der Rheinanbindung im 14. Jahrhundert verlor Duisburg seine besondere Stellung als Handels- und Hafenort. Sie wurde von Ruhrort übernommen. Erst im Verlaufe des 19. Jahrhunderts konnte es seine alten Wasserverbindungen zum Rhein und der Ruhr wieder herstellen und an seine große Vergangenheit im Mittelalter anknüpfen und sich zu einem der größten Binnenhäfen, zum Zentrum von Stahl und Eisen und zur Logistikdrehscheibe entwickeln. Die älteren Überreste dieser langen Geschichte haben sich ganz überwiegend nur noch im Untergrund der Stadt erhalten, nachdem das alte Duisburg in der Nachkriegszeit fast ganz abgebrochen worden ist. Auch die Bodenfunde verschwinden durch die moderne Bautätigkeit mehr und mehr.

Seit über 150 Jahren hat dieses unterirdische Geschichtsarchiv Duisburgs Bürger angezogen und interessiert. Wenn es angeschnitten wurde, haben sie es beobachtet, dokumentiert und die Fundstücke daraus gesammelt. Sie bildeten lange den Grundstock eines städtischen Museums, dessen Aufgabe es über viele Jahrzehnte war, mit seinen archäologischen Fachkräften diese Tätigkeit im öffentlichen Interesse für die Allgemeinheit fortzusetzen. Beim Stadtumbau in den1980er und frühen 90er Jahren konnte das Museum Duisburgs lange Vergangenheit ganz intensiv und beispielhaft für die Region und auch andere mitteleuropäische Städte untersuchen. Die archäologischen Denkmäler gelten weltweit als Teil unserer geschichtlichen und kulturellen Identität und gehören zu unserer in Jahrtausenden entstandenen Umwelt. Sie bildet die Grundlage allen Lebens und wird wohl mit Recht für unser kostbarstes Gut gehalten. Deshalb steht sie wie auch die Denkmäler unter dem Schutz unserer Verfassung.

Den Ausgrabungen der 1980er und frühen -90er Jahre in Duisburg, an deren Erfolg wieder Bürger der Stadt großen Anteil hatten, wird nationaler Rang und internationale Bedeutung zuerkannt. Die frühe Geschichte Duisburgs muss danach ganz neu geschrieben werden. Dieses Wissen hatte zu einem neuen Bewusstsein und Selbstwertgefühl der Bürger und zu einer größeren Identifizierung mit ihrer Stadt beigetragen, die viele davor für eine Schöpfung des Industriezeitalters hielten. Die Duisburger Altstadt wurde zu einer Attraktion, deren Vergangenheit viele Besucher anzuziehen begann. Es wurde erklärtes Ziel der offiziellen Stadtpolitik, das neue Duisburg bewusst auf dem alten und nicht mehr an seiner Stelle aufzubauen und die Zeugnisse der Vergangenheit zu pflegen und im städtischen Museum öffentlich zu machen. Doch nichts währt auf Dauer - vor allem nicht in der Politik.


Abb. 7 (zum Vergrössern mit der Maus übers Bild "gehen")

Ende der 1980er Jahre kündigt sich ein neues Bewusstsein an: Die Internationale Bauaustellung Emscherpark (IBA) scheint Duisburg ganz neue Möglichkeiten der Entwicklung zu bieten. Eine ganzer Region wird nach den Wünschen der Menschen umgekrempelt (Abb. 7) - aber keiner wird gefragt! Ein Architekt mit Weitblick soll aus dem hässlichen Entlein Duisburg einen Schwan und eine von allen anerkannte Architekturstadt machen! Duisburg wird zum Konzern Stadt Duisburg erklärt und das Stadtwappen durch ein Corporate Design – ein Firmenlogo ersetzt. Die historische Altstadt wird zum Internationalen Dienstleistungspark der Zukunft (Abb. 4 u. 6), ihre Geschichte vor der Industrie praktisch abgeschafft und für unerwünscht und unnütz erklärt – Das städtische Museum wird konvertiert und die Stadtarchäologie aus diesem ausgetrieben. - Duisburg könne sich keine unverwechselbare eigene Identität mehr leisten. Sie behindere nur die Zukunftschancen! Eine schöne neue Welt der Zukunft wird angepriesen mit den Duisburger IBA-Projekten als Duisburgs goldenes Dreieck (Abb. 7) - Politik und Wirtschaft erfinden sich eine neue Identität und Geschichte, passend zum Standort. Der Urgrund von Duisburgs urbaner Geschichte wird an die moderne Ruhrmündung (seit 1895) verlegt und dort eine Stele in Form einer glühenden eisernen Bramme aufgestellt, Rheinorange genannt, um dieses zu untermauern. Die alte Ruhrmündung am Philosophenweg (Abb. 1, 5 u. 9) wird vom Stadtrat mit Mehrheit geleugnet, ebenso der mittelalterliche Hafen. Das neue Duisburg soll ein Beispiel für Europa sein und Vorbild für die ganze Welt werden! Das Flaggschiff der neuen Firma Konzern Stadt Duisburg ist das Eurogate mit dem Dienstleistungspark Innenhafen (Abb. 8 u. Abb. 9).


Abb. 8 (zum Vergrössern mit der Maus übers Bild "gehen")

Duisburger Bürger wehren sich gegen diese Entwicklung und verlangen die gesetzlich vorgeschriebene Berücksichtigung der Bodendenkmäler im Gewerbepark Innenhafen und die Achtung des geschützten historischen Ortsbildes. Die Ruhrmündung wird durch das überdimensionierte Eurogate (Abb. 8, Abb. 9), das Überquerungsbauwerk und die sogenannten Grachten (Abb. 9) zerstört. Die Bürger werden ausgetrickst.


Abb. 9 (zum Vergrössern mit der Maus übers Bild "gehen")

Die Verleugnung der rund 2000jährigen Geschichte Duisburgs und die Reduzierung dieses vielfältigen Lebensraumes von Menschen auf einen Konzern Stadt Duisburg rächt sich, wie die jüngste Entwicklung zeigt.

Das Verschweigen des historischen Ortsbildes und der langen Geschichte der Stadt gegenüber dem Architekten Norman Foster und seinen Mitbewerbern hat nicht nur dazu geführt, dass die realisierten Planungen nicht nur unvereinbar mit Duisburgs geschichtlicher Identität sind. Ein konkretes Beispiel: Der Untergrund für das Eurogate -inzwischen "The Curve"- am geleugneten Zusammenfluss von Rhein und Ruhr, "fällt" den grob fahrlässigen Leugnern nun auf die Füße. Wunschdenken und Realität gehen, wie so oft in Duisburg, nicht zusammen. Betrogene sind wir alle. Den Architekten für die Gestaltung wurden die nötigen Vorgaben für ihre Arbeit am Innenhafen verweigert. Es ist der Ort an dem Duisburg vor 2000 Jahren entstand. Den Bürgern dieser Stadt und allen Menschen wurde ein wichtiger Teil ihrer Geschichte genommen und der Ort derselben mutwillig zerstört.

Autor: Dr. Günter Krause im Sommer 2018


Vita:

Dr. Günter Krause, geb. am 4. 3. 1942 in Danzig, 1962 Abitur in Bad Segeberg, Schleswig-Holstein.

1962-1970 Studium der Vor- und Frühgeschichte, vorderasiatischen, klassischen und provinzialrömischen Archäologie, Ethnologie, der alten und mittelalterlichen Geschichte in Kiel und Saarbrücken. 1971 Promotion zum Dr. phil. mit einer Arbeit über bronze- und eisenzeitliche Friedhöfe in Athen.

1971- 1994 Stellvertretender Direktor des Niederrheinischen Museums/seit 1990 Kultur- und Stadthistorischen Museums Duisburg. Danach bis 2007 wissenschaftlicher Betreuer der archäologischen Sammlungen der Stadt Duisburg.

Seit 1960 Teilnahme an bzw. Durchführung von Ausgrabungen in Nord- und Westdeutschland, in der Türkei, im Libanon (1966 und 1967 als stellvertretender Grabungsleiter) und auf Mallorca (1975 und 1977 als Grabungsleiter). Von 1980 bis 1995 Leiter eines der größten interdisziplinären stadtarchäologischen Ausgrabungsprojekte in Europa in der Duisburger Altstadt mit internationaler Beteiligung. Wissenschaftliche Untersuchung und Restaurierung der mittelalterlichen Stadtmauer von Duisburg 1985-1995. Ausbau der Hauptgrabungsstelle in der Duisburger Altstadt zu einem kleinen Freilichtmuseum, der „Archäologischen Zone Alter Markt“ 1987-1990. Auszeichnung mit dem Bürgerehrenwappen der Duisburger Bürgervereine für langjährige Verdienste um die Stadt Duisburg und ihre Bürger im Jahre 1990. Beteiligung an bzw. Durchführung zahlreicher archäologischer und kulturgeschichtlicher Ausstellungen in Duisburg, Deutschland und anderen europäischen Ländern 1971-2004.

Seit 1972: stellvertretender und seit 1978 1. Vorsitzender der Niederrheinischen Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichtsforschung Duisburg e. V. Durchführung von Studienfahrten, Führungen und Vorträgen, archäologischen Seminaren, Veröffentlichung wissenschaftlicher Schriften. Mitglieder der Gesellschaft waren die wichtigsten Mitarbeiter und Helfer bei den Grabungen und Fundbergungen in Duisburg und am unteren Niederrhein und bei der Grabungsnacharbeit. Website der Gesellschaft: http://www.archaeologie-duisburg.de

Lehrauftrag in Mittelalter- und Stadtarchäologie an der Universität Duisburg.

Seit 2009: 1. Vorsitzender des deutsch-niederländischen Arbeitskreises zur Erforschung der Niederrheinischen Irdenware (http://www.niederrheinische-irdenware.eu).